Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.zanken und vertragen uns in Briefen, unser Daher ist es gekommen, daß der Mensch für ner
zanken und vertragen uns in Briefen, unſer Daher iſt es gekommen, daß der Menſch fuͤr ner
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="62"/> zanken und vertragen uns in Briefen, unſer<lb/> ganzer Umgang iſt Briefwechſel, und wenn wir<lb/> zuſammenkommen, ſo kennen wir keine andere<lb/> Unterhaltung, als ſpielen oder <hi rendition="#fr">vorleſen</hi>.</p><lb/> <p>Daher iſt es gekommen, daß der Menſch fuͤr<lb/> den Menſchen faſt ſeinen Werth verloren hat.<lb/> Der Umgang des Weiſen wird nicht geſucht;<lb/> denn wir finden ſeine Weisheit in Schriften.<lb/> Alles was wir thun, iſt ihn zum Schreiben auf-<lb/> zumuntern, wenn wir etwa glauben, daß er<lb/> noch nicht genug hat drucken laſſen. Das graue<lb/> Alter hat ſeine Ehrwuͤrdigkeit verloren; denn<lb/> der unbaͤrtige Juͤngling weis mehr aus Buͤ-<lb/> chern, als jenes aus der Erfahrung. Wohlver-<lb/> ſtanden, oder uͤbelverſtanden, darauf koͤmmt es<lb/> nicht an; genug er weis es, traͤgt es auf den<lb/> Lippen, und kann es dreiſter an den Mann brin-<lb/> gen, als der ehrliche Greis, dem vielleicht mehr<lb/> die Begriffe, als die Worte zu Gebote ſtehen.<lb/> Wir begreifen nicht mehr, wie der Prophet es<lb/> hat fuͤr ein ſo erſchreckliches Uebel halten koͤn-<lb/> nen, <hi rendition="#fr">daß der Juͤngling ſich erhebe uͤber den<lb/> Greis</hi>; oder wie jener Grieche dem Staate habe<lb/> den Untergang prophezeihen koͤnnen, weil in ei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ner</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0164]
zanken und vertragen uns in Briefen, unſer
ganzer Umgang iſt Briefwechſel, und wenn wir
zuſammenkommen, ſo kennen wir keine andere
Unterhaltung, als ſpielen oder vorleſen.
Daher iſt es gekommen, daß der Menſch fuͤr
den Menſchen faſt ſeinen Werth verloren hat.
Der Umgang des Weiſen wird nicht geſucht;
denn wir finden ſeine Weisheit in Schriften.
Alles was wir thun, iſt ihn zum Schreiben auf-
zumuntern, wenn wir etwa glauben, daß er
noch nicht genug hat drucken laſſen. Das graue
Alter hat ſeine Ehrwuͤrdigkeit verloren; denn
der unbaͤrtige Juͤngling weis mehr aus Buͤ-
chern, als jenes aus der Erfahrung. Wohlver-
ſtanden, oder uͤbelverſtanden, darauf koͤmmt es
nicht an; genug er weis es, traͤgt es auf den
Lippen, und kann es dreiſter an den Mann brin-
gen, als der ehrliche Greis, dem vielleicht mehr
die Begriffe, als die Worte zu Gebote ſtehen.
Wir begreifen nicht mehr, wie der Prophet es
hat fuͤr ein ſo erſchreckliches Uebel halten koͤn-
nen, daß der Juͤngling ſich erhebe uͤber den
Greis; oder wie jener Grieche dem Staate habe
den Untergang prophezeihen koͤnnen, weil in ei-
ner
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