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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Ich habe nunmehr, zum Grundrisse des
alten, ursprünglichen Judentums, wie ich mir
solches vorstelle, die Außenlinien entworfen.
Lehrbegriffe und Gesetze; Gesinnungen und
Handlungen. Jene waren nicht an Worte und
Schriftzeichen gebunden, die für alle Menschen
und Zeiten, unter allen Revolutionen der Spra-
chen, Sitten, Lebensart und Verhältnisse im-
mer dieselben bleiben, uns immer dieselbe steife
Formen darbieten sollen, in welche wir unsere
Begriffe nicht einzwängen können, ohne sie zu
zerstümmeln. Sie wurden dem lebendigen, gei-
stigen Unterrichte anvertrauet, der mit allen
Veränderungen der Zeiten und Umstände glei-
chen Schritt halten, und nach dem Bedürfnis,
nach der Fähigkeit und Fassungskraft des Lehr-
lings abgeändert und gemodelt werden kann.
Die Veranlassung zu diesem väterlichen Unter-
richte fand man in dem geschriebenen Gesetzbu-
che, und in den Zeremonialhandlungen, die der
Bekenner des Judentums unaufhörlich zu beob-
achten hatte. Es war Anfangs ausdrücklich
verboten, über die Gesetze mehr zu schreiben,
als Gott der Nation durch Mosen hat verzeich-

nen

Ich habe nunmehr, zum Grundriſſe des
alten, urſpruͤnglichen Judentums, wie ich mir
ſolches vorſtelle, die Außenlinien entworfen.
Lehrbegriffe und Geſetze; Geſinnungen und
Handlungen. Jene waren nicht an Worte und
Schriftzeichen gebunden, die fuͤr alle Menſchen
und Zeiten, unter allen Revolutionen der Spra-
chen, Sitten, Lebensart und Verhaͤltniſſe im-
mer dieſelben bleiben, uns immer dieſelbe ſteife
Formen darbieten ſollen, in welche wir unſere
Begriffe nicht einzwaͤngen koͤnnen, ohne ſie zu
zerſtuͤmmeln. Sie wurden dem lebendigen, gei-
ſtigen Unterrichte anvertrauet, der mit allen
Veraͤnderungen der Zeiten und Umſtaͤnde glei-
chen Schritt halten, und nach dem Beduͤrfnis,
nach der Faͤhigkeit und Faſſungskraft des Lehr-
lings abgeaͤndert und gemodelt werden kann.
Die Veranlaſſung zu dieſem vaͤterlichen Unter-
richte fand man in dem geſchriebenen Geſetzbu-
che, und in den Zeremonialhandlungen, die der
Bekenner des Judentums unaufhoͤrlich zu beob-
achten hatte. Es war Anfangs ausdruͤcklich
verboten, uͤber die Geſetze mehr zu ſchreiben,
als Gott der Nation durch Moſen hat verzeich-

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[59/0161] Ich habe nunmehr, zum Grundriſſe des alten, urſpruͤnglichen Judentums, wie ich mir ſolches vorſtelle, die Außenlinien entworfen. Lehrbegriffe und Geſetze; Geſinnungen und Handlungen. Jene waren nicht an Worte und Schriftzeichen gebunden, die fuͤr alle Menſchen und Zeiten, unter allen Revolutionen der Spra- chen, Sitten, Lebensart und Verhaͤltniſſe im- mer dieſelben bleiben, uns immer dieſelbe ſteife Formen darbieten ſollen, in welche wir unſere Begriffe nicht einzwaͤngen koͤnnen, ohne ſie zu zerſtuͤmmeln. Sie wurden dem lebendigen, gei- ſtigen Unterrichte anvertrauet, der mit allen Veraͤnderungen der Zeiten und Umſtaͤnde glei- chen Schritt halten, und nach dem Beduͤrfnis, nach der Faͤhigkeit und Faſſungskraft des Lehr- lings abgeaͤndert und gemodelt werden kann. Die Veranlaſſung zu dieſem vaͤterlichen Unter- richte fand man in dem geſchriebenen Geſetzbu- che, und in den Zeremonialhandlungen, die der Bekenner des Judentums unaufhoͤrlich zu beob- achten hatte. Es war Anfangs ausdruͤcklich verboten, uͤber die Geſetze mehr zu ſchreiben, als Gott der Nation durch Moſen hat verzeich- nen

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/161>, abgerufen am 24.11.2024.