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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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de, und sonst niemand (daselbst). Vernimm
Israel! der ewige, unser Gott ist ein Einzi-
ges, ewiges Wesen
! (5 B. M. 6, 4.) Nirgend
wird gesagt: glaube Israel, so wirst du ge-
segnet seyn; Zweifle nicht, Israel! oder
diese und jene Strafe wird dich verfolgen
.
Gebot und Verbot, Belohnung und Strafen
sind nur für Handlungen, für Thun und Lassen,
die in des Menschen Willkühr stehen, und
durch Begriffe vom Guten und Bösen, also auch
von Hofnung und Furcht gelenkt werden. Glau-
be und Zweifel, Beyfall und Widerspruch hin-
gegen, richten sich nicht nach unserem Begeh-
rungsvermögen, nicht nach Wunsch und Ver-
langen, nicht nach Fürchten und Hoffen; son-
dern nach unserer Erkenntniß von Warheit und
Unwahrheit.

Daher hat auch das alte Judentum keine
symbolische Bücher, keine Glaubensartikel.
Niemand durfte Symbola beschwöhren, nie-
mand ward auf Glaubensartikel beeidiget; ja,
wir haben von dem, was man Glaubenseide
nennet, gar keinen Begriff, und müssen sie,
nach dem Geiste des ächten Judentums, für

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de, und ſonſt niemand (daſelbſt). Vernimm
Iſrael! der ewige, unſer Gott iſt ein Einzi-
ges, ewiges Weſen
! (5 B. M. 6, 4.) Nirgend
wird geſagt: glaube Iſrael, ſo wirſt du ge-
ſegnet ſeyn; Zweifle nicht, Iſrael! oder
dieſe und jene Strafe wird dich verfolgen
.
Gebot und Verbot, Belohnung und Strafen
ſind nur fuͤr Handlungen, fuͤr Thun und Laſſen,
die in des Menſchen Willkuͤhr ſtehen, und
durch Begriffe vom Guten und Boͤſen, alſo auch
von Hofnung und Furcht gelenkt werden. Glau-
be und Zweifel, Beyfall und Widerſpruch hin-
gegen, richten ſich nicht nach unſerem Begeh-
rungsvermoͤgen, nicht nach Wunſch und Ver-
langen, nicht nach Fuͤrchten und Hoffen; ſon-
dern nach unſerer Erkenntniß von Warheit und
Unwahrheit.

Daher hat auch das alte Judentum keine
ſymboliſche Buͤcher, keine Glaubensartikel.
Niemand durfte Symbola beſchwoͤhren, nie-
mand ward auf Glaubensartikel beeidiget; ja,
wir haben von dem, was man Glaubenseide
nennet, gar keinen Begriff, und muͤſſen ſie,
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[55/0157] de, und ſonſt niemand (daſelbſt). Vernimm Iſrael! der ewige, unſer Gott iſt ein Einzi- ges, ewiges Weſen! (5 B. M. 6, 4.) Nirgend wird geſagt: glaube Iſrael, ſo wirſt du ge- ſegnet ſeyn; Zweifle nicht, Iſrael! oder dieſe und jene Strafe wird dich verfolgen. Gebot und Verbot, Belohnung und Strafen ſind nur fuͤr Handlungen, fuͤr Thun und Laſſen, die in des Menſchen Willkuͤhr ſtehen, und durch Begriffe vom Guten und Boͤſen, alſo auch von Hofnung und Furcht gelenkt werden. Glau- be und Zweifel, Beyfall und Widerſpruch hin- gegen, richten ſich nicht nach unſerem Begeh- rungsvermoͤgen, nicht nach Wunſch und Ver- langen, nicht nach Fuͤrchten und Hoffen; ſon- dern nach unſerer Erkenntniß von Warheit und Unwahrheit. Daher hat auch das alte Judentum keine ſymboliſche Buͤcher, keine Glaubensartikel. Niemand durfte Symbola beſchwoͤhren, nie- mand ward auf Glaubensartikel beeidiget; ja, wir haben von dem, was man Glaubenseide nennet, gar keinen Begriff, und muͤſſen ſie, nach dem Geiſte des aͤchten Judentums, fuͤr un- D 4

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/157>, abgerufen am 22.11.2024.