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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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lichen Sachen, ohne derselben Autorität, sey
nicht nur Hochverrath, sondern auch Lästerung.
Die Collisionen, die zwischen dem innern und äus-
sern Gottesdienste entstehen müssen, sucht er durch
die feinsten Unterscheidungen zu heben, und ob-
gleich noch so manche Lücken zurückbleiben, die
die Schwäche der Vereinigung sichtbar machen;
so ist doch der Scharfsinn zu bewundern, mit
welchem er sein System hat bündig zu machen
gesucht.

Im Grunde liegt in allen Behauptungen
des Hobbes viel Wahrheit, und die ungereim-
ten Folgen, zu welchen sie führen, fließen blos
aus der Uebertreibung, mit welcher er sie, aus
Liebe zur Paradoxie, oder den Bedürfnissen
seiner Zeiten gemäß, vorgetragen hat. Zum
Theil waren auch die Begriffe des Naturrechts
zu seiner Zeit noch nicht aufgeklärt genug, und
Hobbes hat das Verdienst um die Moralphiloso-
phie, das Spinoza um die Metaphysik hat.
Sein scharfsinniger Irrthum hat Untersuchung
veranlasset. Man hat die Ideen von Recht und
Pflicht, Macht und Verbindlichkeit besser ent-
wickelt; man hat physisches Vermögen von sittli-
chem Vermögen
, Gewalt von Befugniß richtiger

unter-
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lichen Sachen, ohne derſelben Autoritaͤt, ſey
nicht nur Hochverrath, ſondern auch Laͤſterung.
Die Colliſionen, die zwiſchen dem innern und aͤuſ-
ſern Gottesdienſte entſtehen muͤſſen, ſucht er durch
die feinſten Unterſcheidungen zu heben, und ob-
gleich noch ſo manche Luͤcken zuruͤckbleiben, die
die Schwaͤche der Vereinigung ſichtbar machen;
ſo iſt doch der Scharfſinn zu bewundern, mit
welchem er ſein Syſtem hat buͤndig zu machen
geſucht.

Im Grunde liegt in allen Behauptungen
des Hobbes viel Wahrheit, und die ungereim-
ten Folgen, zu welchen ſie fuͤhren, fließen blos
aus der Uebertreibung, mit welcher er ſie, aus
Liebe zur Paradoxie, oder den Beduͤrfniſſen
ſeiner Zeiten gemaͤß, vorgetragen hat. Zum
Theil waren auch die Begriffe des Naturrechts
zu ſeiner Zeit noch nicht aufgeklaͤrt genug, und
Hobbes hat das Verdienſt um die Moralphiloſo-
phie, das Spinoza um die Metaphyſik hat.
Sein ſcharfſinniger Irrthum hat Unterſuchung
veranlaſſet. Man hat die Ideen von Recht und
Pflicht, Macht und Verbindlichkeit beſſer ent-
wickelt; man hat phyſiſches Vermoͤgen von ſittli-
chem Vermoͤgen
, Gewalt von Befugniß richtiger

unter-
A 5
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[9/0015] lichen Sachen, ohne derſelben Autoritaͤt, ſey nicht nur Hochverrath, ſondern auch Laͤſterung. Die Colliſionen, die zwiſchen dem innern und aͤuſ- ſern Gottesdienſte entſtehen muͤſſen, ſucht er durch die feinſten Unterſcheidungen zu heben, und ob- gleich noch ſo manche Luͤcken zuruͤckbleiben, die die Schwaͤche der Vereinigung ſichtbar machen; ſo iſt doch der Scharfſinn zu bewundern, mit welchem er ſein Syſtem hat buͤndig zu machen geſucht. Im Grunde liegt in allen Behauptungen des Hobbes viel Wahrheit, und die ungereim- ten Folgen, zu welchen ſie fuͤhren, fließen blos aus der Uebertreibung, mit welcher er ſie, aus Liebe zur Paradoxie, oder den Beduͤrfniſſen ſeiner Zeiten gemaͤß, vorgetragen hat. Zum Theil waren auch die Begriffe des Naturrechts zu ſeiner Zeit noch nicht aufgeklaͤrt genug, und Hobbes hat das Verdienſt um die Moralphiloſo- phie, das Spinoza um die Metaphyſik hat. Sein ſcharfſinniger Irrthum hat Unterſuchung veranlaſſet. Man hat die Ideen von Recht und Pflicht, Macht und Verbindlichkeit beſſer ent- wickelt; man hat phyſiſches Vermoͤgen von ſittli- chem Vermoͤgen, Gewalt von Befugniß richtiger unter- A 5

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/15>, abgerufen am 24.11.2024.