Flehen um Erleuchtung auflösen. Ich würde mit dem Psalmist anrufen:
Herr! sende mir dein Licht, deine Wahr- heit, Daß sie mich leiten, und bringen Zu deinem heiligen Berge, zu deinem Ruhesitze!
Hart und kränkend aber ist es in allen Fäl- len, wenn man mit dem ungenannten Forscher nach Licht und Wahrheit, und dem sich nen- nenden Herrn Mörschel, der die Schrift des Forschers mit einer Nachschrift begleitet hat, mir die gehässige Absicht zuschreibt, die Reli- gion, zu welcher ich mich bekenne, umzustoßen, und ihr, wo nicht ausdrüklich, doch gleichsam unter der Hand zu entsagen. Dergleichen Con- sequenzerey sollte aus dem Umgange der Gelehr- ten auf ewig verbannt seyn. Nicht jeder, der sich zu einer Meinung verstehet, verstehet sich zugleich zu allen Folgen derselben, und wenn sie auch noch so richtig aus derselben hergeleitet werden. Aufbürdungen von dieser Art sind gehässig, und
führen
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Flehen um Erleuchtung aufloͤſen. Ich wuͤrde mit dem Pſalmiſt anrufen:
Herr! ſende mir dein Licht, deine Wahr- heit, Daß ſie mich leiten, und bringen Zu deinem heiligen Berge, zu deinem Ruheſitze!
Hart und kraͤnkend aber iſt es in allen Faͤl- len, wenn man mit dem ungenannten Forſcher nach Licht und Wahrheit, und dem ſich nen- nenden Herrn Moͤrſchel, der die Schrift des Forſchers mit einer Nachſchrift begleitet hat, mir die gehaͤſſige Abſicht zuſchreibt, die Reli- gion, zu welcher ich mich bekenne, umzuſtoßen, und ihr, wo nicht ausdruͤklich, doch gleichſam unter der Hand zu entſagen. Dergleichen Con- ſequenzerey ſollte aus dem Umgange der Gelehr- ten auf ewig verbannt ſeyn. Nicht jeder, der ſich zu einer Meinung verſtehet, verſtehet ſich zugleich zu allen Folgen derſelben, und wenn ſie auch noch ſo richtig aus derſelben hergeleitet werden. Aufbuͤrdungen von dieſer Art ſind gehaͤſſig, und
fuͤhren
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Flehen um Erleuchtung aufloͤſen. Ich wuͤrde<lb/>
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Flehen um Erleuchtung aufloͤſen. Ich wuͤrde
mit dem Pſalmiſt anrufen:
Herr! ſende mir dein Licht, deine Wahr-
heit,
Daß ſie mich leiten, und bringen
Zu deinem heiligen Berge, zu deinem
Ruheſitze!
Hart und kraͤnkend aber iſt es in allen Faͤl-
len, wenn man mit dem ungenannten Forſcher
nach Licht und Wahrheit, und dem ſich nen-
nenden Herrn Moͤrſchel, der die Schrift des
Forſchers mit einer Nachſchrift begleitet hat,
mir die gehaͤſſige Abſicht zuſchreibt, die Reli-
gion, zu welcher ich mich bekenne, umzuſtoßen,
und ihr, wo nicht ausdruͤklich, doch gleichſam
unter der Hand zu entſagen. Dergleichen Con-
ſequenzerey ſollte aus dem Umgange der Gelehr-
ten auf ewig verbannt ſeyn. Nicht jeder, der ſich
zu einer Meinung verſtehet, verſtehet ſich zugleich
zu allen Folgen derſelben, und wenn ſie auch
noch ſo richtig aus derſelben hergeleitet werden.
Aufbuͤrdungen von dieſer Art ſind gehaͤſſig, und
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/125>, abgerufen am 18.07.2024.
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