Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Es war nur zu klar, daß er entwaffnet und in Gefangenschaft geschleppt worden war. Die Nachricht von dem Schicksal des jungen Mannes, dem ich Freiheit und Leben danke, hat auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht, - und -"

"Er hat nur seine Pflicht gethan," sagte der Graf sehr nüchtern. "Er würde im höchsten Grade tadelnswürdig gewesen sein, wenn er weniger gethan hätte."

"Wollt Ihr sagen," versetzte die Prinzessin mit einer gewissen Schärfe, "daß sein Schicksal nicht das allertiefste Mitleid verdient, daß er nicht mein Retter ist? War nicht der König selbst ganz bestürzt? Kurz, ich nahm es mir tief zu Herzen, und als die vielen Kundschafter, die ausgesandt waren, ihn aufzusuchen, stets unverrichteter Dinge zurückkehrten und Niemand das große, verlockend große Lösegeld, das mein Vater auf Arbogasts Befreiung ausgesetzt hatte, einzustreichen kam, da habe ich alle Hoffnung, ihn wiederzusehen, verloren; aber ich mußte an ihn noch immer mehr, als zuvor, denken. Auf Schritt und Tritt fiel er mir ein und erschien mir gar oft Nachts im Traume. Das mit Blut bespritzte Kleid hatte ich

Es war nur zu klar, daß er entwaffnet und in Gefangenschaft geschleppt worden war. Die Nachricht von dem Schicksal des jungen Mannes, dem ich Freiheit und Leben danke, hat auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht, – und –“

„Er hat nur seine Pflicht gethan,“ sagte der Graf sehr nüchtern. „Er würde im höchsten Grade tadelnswürdig gewesen sein, wenn er weniger gethan hätte.“

„Wollt Ihr sagen,“ versetzte die Prinzessin mit einer gewissen Schärfe, „daß sein Schicksal nicht das allertiefste Mitleid verdient, daß er nicht mein Retter ist? War nicht der König selbst ganz bestürzt? Kurz, ich nahm es mir tief zu Herzen, und als die vielen Kundschafter, die ausgesandt waren, ihn aufzusuchen, stets unverrichteter Dinge zurückkehrten und Niemand das große, verlockend große Lösegeld, das mein Vater auf Arbogasts Befreiung ausgesetzt hatte, einzustreichen kam, da habe ich alle Hoffnung, ihn wiederzusehen, verloren; aber ich mußte an ihn noch immer mehr, als zuvor, denken. Auf Schritt und Tritt fiel er mir ein und erschien mir gar oft Nachts im Traume. Das mit Blut bespritzte Kleid hatte ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0096" n="88"/>
Es war nur zu klar, daß er entwaffnet und in Gefangenschaft geschleppt worden war. Die Nachricht von dem Schicksal des jungen Mannes, dem ich Freiheit und Leben danke, hat auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht, &#x2013; und &#x2013;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Er hat nur seine Pflicht gethan,&#x201C; sagte der Graf sehr nüchtern. &#x201E;Er würde im höchsten Grade tadelnswürdig gewesen sein, wenn er weniger gethan hätte.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Wollt Ihr sagen,&#x201C; versetzte die Prinzessin mit einer gewissen Schärfe, &#x201E;daß sein Schicksal nicht das allertiefste Mitleid verdient, daß er nicht mein Retter ist? War nicht der König selbst ganz bestürzt? Kurz, ich nahm es mir tief zu Herzen, und als die vielen Kundschafter, die ausgesandt waren, ihn aufzusuchen, stets unverrichteter Dinge zurückkehrten und Niemand das große, verlockend große Lösegeld, das mein Vater auf Arbogasts Befreiung ausgesetzt hatte, einzustreichen kam, da habe ich alle Hoffnung, ihn wiederzusehen, verloren; aber ich mußte an ihn noch immer mehr, als zuvor, denken. Auf Schritt und Tritt fiel er mir ein und erschien mir gar oft Nachts im Traume. Das mit Blut bespritzte Kleid hatte ich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] Es war nur zu klar, daß er entwaffnet und in Gefangenschaft geschleppt worden war. Die Nachricht von dem Schicksal des jungen Mannes, dem ich Freiheit und Leben danke, hat auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht, – und –“ „Er hat nur seine Pflicht gethan,“ sagte der Graf sehr nüchtern. „Er würde im höchsten Grade tadelnswürdig gewesen sein, wenn er weniger gethan hätte.“ „Wollt Ihr sagen,“ versetzte die Prinzessin mit einer gewissen Schärfe, „daß sein Schicksal nicht das allertiefste Mitleid verdient, daß er nicht mein Retter ist? War nicht der König selbst ganz bestürzt? Kurz, ich nahm es mir tief zu Herzen, und als die vielen Kundschafter, die ausgesandt waren, ihn aufzusuchen, stets unverrichteter Dinge zurückkehrten und Niemand das große, verlockend große Lösegeld, das mein Vater auf Arbogasts Befreiung ausgesetzt hatte, einzustreichen kam, da habe ich alle Hoffnung, ihn wiederzusehen, verloren; aber ich mußte an ihn noch immer mehr, als zuvor, denken. Auf Schritt und Tritt fiel er mir ein und erschien mir gar oft Nachts im Traume. Das mit Blut bespritzte Kleid hatte ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource.

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/96
Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/96>, abgerufen am 23.11.2024.