Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

nach Jaffa zurückzukehren, von wo die Fahrt nach Venedig angetreten werden sollte.

Um die letzten Stunden noch zu benutzen, hatte sich Graf Albrecht mit der Prinzessin ganz allein auf den Oelberg begeben, der, östlich von Jerusalem gelegen und nur durch den Bach Kidron davon getrennt, die Stadt und das Thal Josaphat beherrscht. Es ist ein beinahe kahles Kalkgebirge, durch flache Einsattelungen, auf deren mittleren sich eine große, runde Kirche erhebt, in drei Kuppen getrennt. Die beiden Liebenden setzten sich, nachdem sie die Kirche besucht, auf eine Felsenstufe, die ein im Gestein wuchernder Feigenbaum umkleidete, im Schatten einer einsamen Sykomore nieder.

Die Sonne neigte sich dem Untergange zu und beleuchtete mit ihren brennenden Strahlen die heilige Stadt und ihre Umgebung.

Es war rings herum öde und einsam.

"Also das ist Jerusalem!" sagte die Prinzessin. "Wie oft bin ich in meinen Kinderträumen hier gewesen! Aber wo ist der Tempel, wo die Burg Zion, wo das von Gärten umgebene Königsschloß des Herodes? Wo

nach Jaffa zurückzukehren, von wo die Fahrt nach Venedig angetreten werden sollte.

Um die letzten Stunden noch zu benutzen, hatte sich Graf Albrecht mit der Prinzessin ganz allein auf den Oelberg begeben, der, östlich von Jerusalem gelegen und nur durch den Bach Kidron davon getrennt, die Stadt und das Thal Josaphat beherrscht. Es ist ein beinahe kahles Kalkgebirge, durch flache Einsattelungen, auf deren mittleren sich eine große, runde Kirche erhebt, in drei Kuppen getrennt. Die beiden Liebenden setzten sich, nachdem sie die Kirche besucht, auf eine Felsenstufe, die ein im Gestein wuchernder Feigenbaum umkleidete, im Schatten einer einsamen Sykomore nieder.

Die Sonne neigte sich dem Untergange zu und beleuchtete mit ihren brennenden Strahlen die heilige Stadt und ihre Umgebung.

Es war rings herum öde und einsam.

„Also das ist Jerusalem!“ sagte die Prinzessin. „Wie oft bin ich in meinen Kinderträumen hier gewesen! Aber wo ist der Tempel, wo die Burg Zion, wo das von Gärten umgebene Königsschloß des Herodes? Wo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0176" n="168"/>
nach Jaffa zurückzukehren, von wo die Fahrt nach Venedig angetreten werden sollte.</p>
        <p>Um die letzten Stunden noch zu benutzen, hatte sich Graf Albrecht mit der Prinzessin ganz allein auf den Oelberg begeben, der, östlich von Jerusalem gelegen und nur durch den Bach Kidron davon getrennt, die Stadt und das Thal Josaphat beherrscht. Es ist ein beinahe kahles Kalkgebirge, durch flache Einsattelungen, auf deren mittleren sich eine große, runde Kirche erhebt, in drei Kuppen getrennt. Die beiden Liebenden setzten sich, nachdem sie die Kirche besucht, auf eine Felsenstufe, die ein im Gestein wuchernder Feigenbaum umkleidete, im Schatten einer einsamen Sykomore nieder.</p>
        <p>Die Sonne neigte sich dem Untergange zu und beleuchtete mit ihren brennenden Strahlen die heilige Stadt und ihre Umgebung.</p>
        <p>Es war rings herum öde und einsam.</p>
        <p>&#x201E;Also das ist Jerusalem!&#x201C; sagte die Prinzessin. &#x201E;Wie oft bin ich in meinen Kinderträumen hier gewesen! Aber wo ist der Tempel, wo die Burg Zion, wo das von Gärten umgebene Königsschloß des Herodes? Wo
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0176] nach Jaffa zurückzukehren, von wo die Fahrt nach Venedig angetreten werden sollte. Um die letzten Stunden noch zu benutzen, hatte sich Graf Albrecht mit der Prinzessin ganz allein auf den Oelberg begeben, der, östlich von Jerusalem gelegen und nur durch den Bach Kidron davon getrennt, die Stadt und das Thal Josaphat beherrscht. Es ist ein beinahe kahles Kalkgebirge, durch flache Einsattelungen, auf deren mittleren sich eine große, runde Kirche erhebt, in drei Kuppen getrennt. Die beiden Liebenden setzten sich, nachdem sie die Kirche besucht, auf eine Felsenstufe, die ein im Gestein wuchernder Feigenbaum umkleidete, im Schatten einer einsamen Sykomore nieder. Die Sonne neigte sich dem Untergange zu und beleuchtete mit ihren brennenden Strahlen die heilige Stadt und ihre Umgebung. Es war rings herum öde und einsam. „Also das ist Jerusalem!“ sagte die Prinzessin. „Wie oft bin ich in meinen Kinderträumen hier gewesen! Aber wo ist der Tempel, wo die Burg Zion, wo das von Gärten umgebene Königsschloß des Herodes? Wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource.

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/176
Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/176>, abgerufen am 23.11.2024.