Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

"Die Gelegenheit wird sich bald finden," warf der Graf verlegen hin, "sehr bald."

"Das glaube ich nicht recht," versetzte Thomas. "Bei Tage kommt sie nie auf das Verdeck, nur des Nachts, da man nichts sehen kann; überdies hebt sie auch ihren dichten Schleier niemals auf. Ich weiß freilich, warum. Die Schiffsmannschaft besteht aus lauter Portugiesen. Einer oder der Andere könnte sie erkennen. Beim Himmel, stände jetzt Brigitte vor mir da, so könnte ich kaum in eine größere Entzückung fallen, als wenn ich die holde Braut meines gnädigen Herrn erblicken würde!"

"Geduld muß man haben," sagte der Graf etwas barsch.

"Geduld habe ich schon," versetzte Thomas, "aber das sehe ich, so lange diese Portugiesen da sind, wird aus meinem Wunsche nichts werden. Wenn wir aber allein in Genua landen und auf's Pferd gestiegen sind, da wird es sich ändern, und Gott sei Dank, von Genua sind wir nicht mehr weit. Wieviel Tagreisen mag es wohl noch betragen?"

"Du fragst, als wenn ich ein geborner Seemann wäre," versetzte der Graf. "Ich weiß es nicht!"

„Die Gelegenheit wird sich bald finden,“ warf der Graf verlegen hin, „sehr bald.“

„Das glaube ich nicht recht,“ versetzte Thomas. „Bei Tage kommt sie nie auf das Verdeck, nur des Nachts, da man nichts sehen kann; überdies hebt sie auch ihren dichten Schleier niemals auf. Ich weiß freilich, warum. Die Schiffsmannschaft besteht aus lauter Portugiesen. Einer oder der Andere könnte sie erkennen. Beim Himmel, stände jetzt Brigitte vor mir da, so könnte ich kaum in eine größere Entzückung fallen, als wenn ich die holde Braut meines gnädigen Herrn erblicken würde!“

„Geduld muß man haben,“ sagte der Graf etwas barsch.

„Geduld habe ich schon,“ versetzte Thomas, „aber das sehe ich, so lange diese Portugiesen da sind, wird aus meinem Wunsche nichts werden. Wenn wir aber allein in Genua landen und auf’s Pferd gestiegen sind, da wird es sich ändern, und Gott sei Dank, von Genua sind wir nicht mehr weit. Wieviel Tagreisen mag es wohl noch betragen?“

„Du fragst, als wenn ich ein geborner Seemann wäre,“ versetzte der Graf. „Ich weiß es nicht!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <pb facs="#f0106" n="98"/>
        <p>&#x201E;Die Gelegenheit wird sich bald finden,&#x201C; warf der Graf verlegen hin, &#x201E;sehr bald.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Das glaube ich nicht recht,&#x201C; versetzte Thomas. &#x201E;Bei Tage kommt sie nie auf das Verdeck, nur des Nachts, da man nichts sehen kann; überdies hebt sie auch ihren dichten Schleier niemals auf. Ich weiß freilich, warum. Die Schiffsmannschaft besteht aus lauter Portugiesen. Einer oder der Andere könnte sie erkennen. Beim Himmel, stände jetzt Brigitte vor mir da, so könnte ich kaum in eine größere Entzückung fallen, als wenn ich die holde Braut meines gnädigen Herrn erblicken würde!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Geduld muß man haben,&#x201C; sagte der Graf etwas barsch.</p>
        <p>&#x201E;Geduld habe ich schon,&#x201C; versetzte Thomas, &#x201E;aber das sehe ich, so lange diese Portugiesen da sind, wird aus meinem Wunsche nichts werden. Wenn wir aber allein in Genua landen und auf&#x2019;s Pferd gestiegen sind, da wird es sich ändern, und Gott sei Dank, von Genua sind wir nicht mehr weit. Wieviel Tagreisen mag es wohl noch betragen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Du fragst, als wenn ich ein geborner Seemann wäre,&#x201C; versetzte der Graf. &#x201E;Ich weiß es nicht!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0106] „Die Gelegenheit wird sich bald finden,“ warf der Graf verlegen hin, „sehr bald.“ „Das glaube ich nicht recht,“ versetzte Thomas. „Bei Tage kommt sie nie auf das Verdeck, nur des Nachts, da man nichts sehen kann; überdies hebt sie auch ihren dichten Schleier niemals auf. Ich weiß freilich, warum. Die Schiffsmannschaft besteht aus lauter Portugiesen. Einer oder der Andere könnte sie erkennen. Beim Himmel, stände jetzt Brigitte vor mir da, so könnte ich kaum in eine größere Entzückung fallen, als wenn ich die holde Braut meines gnädigen Herrn erblicken würde!“ „Geduld muß man haben,“ sagte der Graf etwas barsch. „Geduld habe ich schon,“ versetzte Thomas, „aber das sehe ich, so lange diese Portugiesen da sind, wird aus meinem Wunsche nichts werden. Wenn wir aber allein in Genua landen und auf’s Pferd gestiegen sind, da wird es sich ändern, und Gott sei Dank, von Genua sind wir nicht mehr weit. Wieviel Tagreisen mag es wohl noch betragen?“ „Du fragst, als wenn ich ein geborner Seemann wäre,“ versetzte der Graf. „Ich weiß es nicht!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource.

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/106
Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/106>, abgerufen am 23.11.2024.