Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

nat schwanger, und ich befand mich eben wie-
der bei ihr, als er uns überraschte. Er mach-
te ihr in meiner Gegenwart über dieses sträfli-
che Verständnis mit mir die bittersten Vor-
würfe. Jch schwieg ehrerbietig. Er schmälte
auf sie, als auf ein Hindernis meines Glücks;
und sie versuchte, sich auf eine bescheidne Art
zu vertheidigen. -- Doch eben dadurch stieg
sein Zorn; er behandelte sie nun als ein ver-
worfenes Geschöpf, das für Bezahlung Jedem
feil sey. Tausend Schimpfreden übertäubten
sie; die bittersten Thränen waren ihre lezte
Zuflucht. Jhn erweichten sie nicht; mich desto
mehr. Jch wagt' es nun, für sie zu sprechen.
Umsonst; mein Vater ward immer aufgebrach-
ter; er vergaß sich so weit, daß er die Un-
glückliche schlug. Sie wollte seine Knie um-
fassen; aber ein Stoß, den er ihr mit seinem
Fuße vor den Leib gab, streckte sie in bewußt-
losen Konvulsionen zu Boden. Bei diesem
gräßlichen Anblick verließ mich alle Besin-
nungskraft. Jch sah nicht meinen Vater

nat ſchwanger, und ich befand mich eben wie-
der bei ihr, als er uns uͤberraſchte. Er mach-
te ihr in meiner Gegenwart uͤber dieſes ſtraͤfli-
che Verſtaͤndnis mit mir die bitterſten Vor-
wuͤrfe. Jch ſchwieg ehrerbietig. Er ſchmaͤlte
auf ſie, als auf ein Hindernis meines Gluͤcks;
und ſie verſuchte, ſich auf eine beſcheidne Art
zu vertheidigen. — Doch eben dadurch ſtieg
ſein Zorn; er behandelte ſie nun als ein ver-
worfenes Geſchoͤpf, das fuͤr Bezahlung Jedem
feil ſey. Tauſend Schimpfreden uͤbertaͤubten
ſie; die bitterſten Thraͤnen waren ihre lezte
Zuflucht. Jhn erweichten ſie nicht; mich deſto
mehr. Jch wagt' es nun, fuͤr ſie zu ſprechen.
Umſonſt; mein Vater ward immer aufgebrach-
ter; er vergaß ſich ſo weit, daß er die Un-
gluͤckliche ſchlug. Sie wollte ſeine Knie um-
faſſen; aber ein Stoß, den er ihr mit ſeinem
Fuße vor den Leib gab, ſtreckte ſie in bewußt-
loſen Konvulſionen zu Boden. Bei dieſem
graͤßlichen Anblick verließ mich alle Beſin-
nungskraft. Jch ſah nicht meinen Vater

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0086" n="78"/>
nat &#x017F;chwanger, und ich befand mich eben wie-<lb/>
der bei ihr, als er uns u&#x0364;berra&#x017F;chte. Er mach-<lb/>
te ihr in meiner Gegenwart u&#x0364;ber die&#x017F;es &#x017F;tra&#x0364;fli-<lb/>
che Ver&#x017F;ta&#x0364;ndnis mit mir die bitter&#x017F;ten Vor-<lb/>
wu&#x0364;rfe. Jch &#x017F;chwieg ehrerbietig. Er &#x017F;chma&#x0364;lte<lb/>
auf &#x017F;ie, als auf ein Hindernis meines Glu&#x0364;cks;<lb/>
und &#x017F;ie ver&#x017F;uchte, &#x017F;ich auf eine be&#x017F;cheidne Art<lb/>
zu vertheidigen. &#x2014; Doch eben dadurch &#x017F;tieg<lb/>
&#x017F;ein Zorn; er behandelte &#x017F;ie nun als ein ver-<lb/>
worfenes Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, das fu&#x0364;r Bezahlung Jedem<lb/>
feil &#x017F;ey. Tau&#x017F;end Schimpfreden u&#x0364;berta&#x0364;ubten<lb/>
&#x017F;ie; die bitter&#x017F;ten Thra&#x0364;nen waren ihre lezte<lb/>
Zuflucht. Jhn erweichten &#x017F;ie nicht; mich de&#x017F;to<lb/>
mehr. Jch wagt' es nun, fu&#x0364;r &#x017F;ie zu &#x017F;prechen.<lb/>
Um&#x017F;on&#x017F;t; mein Vater ward immer aufgebrach-<lb/>
ter; er vergaß &#x017F;ich &#x017F;o weit, daß er die Un-<lb/>
glu&#x0364;ckliche &#x017F;chlug. Sie wollte &#x017F;eine Knie um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en; aber ein Stoß, den er ihr mit &#x017F;einem<lb/>
Fuße vor den Leib gab, &#x017F;treckte &#x017F;ie in bewußt-<lb/>
lo&#x017F;en Konvul&#x017F;ionen zu Boden. Bei die&#x017F;em<lb/>
gra&#x0364;ßlichen Anblick verließ mich alle Be&#x017F;in-<lb/>
nungskraft. Jch &#x017F;ah nicht meinen Vater<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0086] nat ſchwanger, und ich befand mich eben wie- der bei ihr, als er uns uͤberraſchte. Er mach- te ihr in meiner Gegenwart uͤber dieſes ſtraͤfli- che Verſtaͤndnis mit mir die bitterſten Vor- wuͤrfe. Jch ſchwieg ehrerbietig. Er ſchmaͤlte auf ſie, als auf ein Hindernis meines Gluͤcks; und ſie verſuchte, ſich auf eine beſcheidne Art zu vertheidigen. — Doch eben dadurch ſtieg ſein Zorn; er behandelte ſie nun als ein ver- worfenes Geſchoͤpf, das fuͤr Bezahlung Jedem feil ſey. Tauſend Schimpfreden uͤbertaͤubten ſie; die bitterſten Thraͤnen waren ihre lezte Zuflucht. Jhn erweichten ſie nicht; mich deſto mehr. Jch wagt' es nun, fuͤr ſie zu ſprechen. Umſonſt; mein Vater ward immer aufgebrach- ter; er vergaß ſich ſo weit, daß er die Un- gluͤckliche ſchlug. Sie wollte ſeine Knie um- faſſen; aber ein Stoß, den er ihr mit ſeinem Fuße vor den Leib gab, ſtreckte ſie in bewußt- loſen Konvulſionen zu Boden. Bei dieſem graͤßlichen Anblick verließ mich alle Beſin- nungskraft. Jch ſah nicht meinen Vater

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/86
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/86>, abgerufen am 23.11.2024.