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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Noch während dieses ungesprochnen Mo-
nologs bediente der Eifersüchtige sich bereits
seines Handwerkszeugs; eröffnete ziemlich leise
die Thüre, fand das Zimmer offen und husch-
te hinein. Jezt erkannt' er seinen Verdacht
ungegründet; und fand, daß sein Mädchen
würklich schon ausgegangen sey. Er wollte
sich daher sogleich wieder entfernen, als ihm
auf ihrem Arbeitstische ein kleines niedliches
verschloßnes Kästchen in die Augen fiel. --
"Was ist das? sezt' er seine Gedankenreihe
fort: noch nie sah' ich dieses Kästchen bei
ihr. Es ist so leicht; höchstens können einige
Papiere drinnen verwahrt seyn. Jch will ei-
nen Scherz machen; wills mitnehmen. Wenn
sie's vermißt, auf wen wird sie wohl rathen?
Sicher wird sie zu mir kommen -- wird mir's
klagen. Jch lasse sie dann ein wenig in der
Angst zappeln; zeig' es ihr endlich; mache den
Argwöhnischen; vermuthe Liebesbriefchen drin-
nen und so weiter; kurz, ich will's mitneh-
men."

D 5

Noch waͤhrend dieſes ungeſprochnen Mo-
nologs bediente der Eiferſuͤchtige ſich bereits
ſeines Handwerkszeugs; eroͤffnete ziemlich leiſe
die Thuͤre, fand das Zimmer offen und huſch-
te hinein. Jezt erkannt' er ſeinen Verdacht
ungegruͤndet; und fand, daß ſein Maͤdchen
wuͤrklich ſchon ausgegangen ſey. Er wollte
ſich daher ſogleich wieder entfernen, als ihm
auf ihrem Arbeitstiſche ein kleines niedliches
verſchloßnes Kaͤſtchen in die Augen fiel. —
„Was iſt das? ſezt' er ſeine Gedankenreihe
fort: noch nie ſah' ich dieſes Kaͤſtchen bei
ihr. Es iſt ſo leicht; hoͤchſtens koͤnnen einige
Papiere drinnen verwahrt ſeyn. Jch will ei-
nen Scherz machen; wills mitnehmen. Wenn
ſie's vermißt, auf wen wird ſie wohl rathen?
Sicher wird ſie zu mir kommen -- wird mir's
klagen. Jch laſſe ſie dann ein wenig in der
Angſt zappeln; zeig' es ihr endlich; mache den
Argwoͤhniſchen; vermuthe Liebesbriefchen drin-
nen und ſo weiter; kurz, ich will's mitneh-
men.“

D 5
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[57/0065] Noch waͤhrend dieſes ungeſprochnen Mo- nologs bediente der Eiferſuͤchtige ſich bereits ſeines Handwerkszeugs; eroͤffnete ziemlich leiſe die Thuͤre, fand das Zimmer offen und huſch- te hinein. Jezt erkannt' er ſeinen Verdacht ungegruͤndet; und fand, daß ſein Maͤdchen wuͤrklich ſchon ausgegangen ſey. Er wollte ſich daher ſogleich wieder entfernen, als ihm auf ihrem Arbeitstiſche ein kleines niedliches verſchloßnes Kaͤſtchen in die Augen fiel. — „Was iſt das? ſezt' er ſeine Gedankenreihe fort: noch nie ſah' ich dieſes Kaͤſtchen bei ihr. Es iſt ſo leicht; hoͤchſtens koͤnnen einige Papiere drinnen verwahrt ſeyn. Jch will ei- nen Scherz machen; wills mitnehmen. Wenn ſie's vermißt, auf wen wird ſie wohl rathen? Sicher wird ſie zu mir kommen -- wird mir's klagen. Jch laſſe ſie dann ein wenig in der Angſt zappeln; zeig' es ihr endlich; mache den Argwoͤhniſchen; vermuthe Liebesbriefchen drin- nen und ſo weiter; kurz, ich will's mitneh- men.“ D 5

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/65>, abgerufen am 27.11.2024.