einem damals achtjährigen Knaben, im Länd- chen herum; einige Bauern, menschlicher als ihr Graf, gaben ihm kärgliche Brosamen, bis er erkrankte, und für Kummer und Elend starb.
Johann ward jetzt neun Jahr alt; und ein Vetter seines Vaters, von gleicher Handthie- rung, nahm ihn zu sich; doch dieser Mann war ein versteckter Bösewicht, der sich des ar- men Knaben bald zu einigen kleinen Viehdieb- stählen so zu bedienen wußte, daß Johann selbst nicht argwohnte, wozu er gebraucht würde. Aber endlich ward ihm die Sache doch verdächtig,und als einst in seinerGegenwart ein förmlicher Raub verabredet, er selbst auch zum Einsteigen und zur Eröffnung der Fenster da- bei bestimmt wurde, stand auf einmal der Geist seines Vaters ihm vor Augen; er glaubte, seine Ermahnungen alle von neuem zu hören, wagt' es nicht, ihnen untreu zu werden, und entfloh noch den nämlichen Abend, als der Diebstahl ins Werk gesezt werden sollte.
einem damals achtjaͤhrigen Knaben, im Laͤnd- chen herum; einige Bauern, menſchlicher als ihr Graf, gaben ihm kaͤrgliche Broſamen, bis er erkrankte, und fuͤr Kummer und Elend ſtarb.
Johann ward jetzt neun Jahr alt; und ein Vetter ſeines Vaters, von gleicher Handthie- rung, nahm ihn zu ſich; doch dieſer Mann war ein verſteckter Boͤſewicht, der ſich des ar- men Knaben bald zu einigen kleinen Viehdieb- ſtaͤhlen ſo zu bedienen wußte, daß Johann ſelbſt nicht argwohnte, wozu er gebraucht wuͤrde. Aber endlich ward ihm die Sache doch verdaͤchtig,und als einſt in ſeinerGegenwart ein foͤrmlicher Raub verabredet, er ſelbſt auch zum Einſteigen und zur Eroͤffnung der Fenſter da- bei beſtimmt wurde, ſtand auf einmal der Geiſt ſeines Vaters ihm vor Augen; er glaubte, ſeine Ermahnungen alle von neuem zu hoͤren, wagt' es nicht, ihnen untreu zu werden, und entfloh noch den naͤmlichen Abend, als der Diebſtahl ins Werk geſezt werden ſollte.
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einem damals achtjaͤhrigen Knaben, im Laͤnd-
chen herum; einige Bauern, menſchlicher als
ihr Graf, gaben ihm kaͤrgliche Broſamen, bis
er erkrankte, und fuͤr Kummer und Elend
ſtarb.
Johann ward jetzt neun Jahr alt; und ein
Vetter ſeines Vaters, von gleicher Handthie-
rung, nahm ihn zu ſich; doch dieſer Mann
war ein verſteckter Boͤſewicht, der ſich des ar-
men Knaben bald zu einigen kleinen Viehdieb-
ſtaͤhlen ſo zu bedienen wußte, daß Johann
ſelbſt nicht argwohnte, wozu er gebraucht
wuͤrde. Aber endlich ward ihm die Sache doch
verdaͤchtig,und als einſt in ſeinerGegenwart ein
foͤrmlicher Raub verabredet, er ſelbſt auch zum
Einſteigen und zur Eroͤffnung der Fenſter da-
bei beſtimmt wurde, ſtand auf einmal der Geiſt
ſeines Vaters ihm vor Augen; er glaubte,
ſeine Ermahnungen alle von neuem zu hoͤren,
wagt' es nicht, ihnen untreu zu werden, und
entfloh noch den naͤmlichen Abend, als der
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/54>, abgerufen am 23.11.2024.
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