Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

der Aufopferung Jsaaks. Sie war sein ein-
ziger Gedanke des Tags über, und wenn er
schlaflos auf seinem Lager lag; sie war sein
Traum in jedem Morgenschlummer; rasch
fuhr er dann auf und flehte mit gefaltnen
Händen, mit unterdrücktem Schluchzen und
desto häufigern Thränen zu Gott: auch ihn
mit dem Glauben Abrahams zu beseeligen.

So rang er ein Paar Wochen lang; und
achtete sich endlich ganz mit dem Heldenmuthe
gestärkt, den die Aufopferung seiner Kinder
erfodere. Seit geraumer Zeit war er nicht
freudiger und heiterer aufgestanden, als an
dem Morgen dieses dazu festgesezten Tages.
Seine Gattin merkte solches und freute sich
dieser Aenderung; er selbst verrichtete seine
Hirtenarbeit mit größter Genauigkeit, und kam
dann heim, sein eignes Vieh zu melken.

Er war Vater von drei Söhnen, und bis-
her immer der beste Vater gewesen. Seine
Kinder liebten ihn daher zärtlich, und folg-
ten ihm, wo er ging und stand, fleißig nach.

H h 4

der Aufopferung Jſaaks. Sie war ſein ein-
ziger Gedanke des Tags uͤber, und wenn er
ſchlaflos auf ſeinem Lager lag; ſie war ſein
Traum in jedem Morgenſchlummer; raſch
fuhr er dann auf und flehte mit gefaltnen
Haͤnden, mit unterdruͤcktem Schluchzen und
deſto haͤufigern Thraͤnen zu Gott: auch ihn
mit dem Glauben Abrahams zu beſeeligen.

So rang er ein Paar Wochen lang; und
achtete ſich endlich ganz mit dem Heldenmuthe
geſtaͤrkt, den die Aufopferung ſeiner Kinder
erfodere. Seit geraumer Zeit war er nicht
freudiger und heiterer aufgeſtanden, als an
dem Morgen dieſes dazu feſtgeſezten Tages.
Seine Gattin merkte ſolches und freute ſich
dieſer Aenderung; er ſelbſt verrichtete ſeine
Hirtenarbeit mit groͤßter Genauigkeit, und kam
dann heim, ſein eignes Vieh zu melken.

Er war Vater von drei Soͤhnen, und bis-
her immer der beſte Vater geweſen. Seine
Kinder liebten ihn daher zaͤrtlich, und folg-
ten ihm, wo er ging und ſtand, fleißig nach.

H h 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0495" n="487"/>
der Aufopferung J&#x017F;aaks. Sie war &#x017F;ein ein-<lb/>
ziger Gedanke des Tags u&#x0364;ber, und wenn er<lb/>
&#x017F;chlaflos auf &#x017F;einem Lager lag; &#x017F;ie war &#x017F;ein<lb/>
Traum in jedem Morgen&#x017F;chlummer; ra&#x017F;ch<lb/>
fuhr er dann auf und flehte mit gefaltnen<lb/>
Ha&#x0364;nden, mit unterdru&#x0364;cktem Schluchzen und<lb/>
de&#x017F;to ha&#x0364;ufigern Thra&#x0364;nen zu Gott: auch ihn<lb/>
mit dem Glauben Abrahams zu be&#x017F;eeligen.</p><lb/>
          <p>So rang er ein Paar Wochen lang; und<lb/>
achtete &#x017F;ich endlich ganz mit dem Heldenmuthe<lb/>
ge&#x017F;ta&#x0364;rkt, den die Aufopferung &#x017F;einer Kinder<lb/>
erfodere. Seit geraumer Zeit war er nicht<lb/>
freudiger und heiterer aufge&#x017F;tanden, als an<lb/>
dem Morgen die&#x017F;es dazu fe&#x017F;tge&#x017F;ezten Tages.<lb/>
Seine Gattin merkte &#x017F;olches und freute &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;er Aenderung; er &#x017F;elb&#x017F;t verrichtete &#x017F;eine<lb/>
Hirtenarbeit mit gro&#x0364;ßter Genauigkeit, und kam<lb/>
dann heim, &#x017F;ein eignes Vieh zu melken.</p><lb/>
          <p>Er war Vater von drei So&#x0364;hnen, und bis-<lb/>
her immer der be&#x017F;te Vater gewe&#x017F;en. Seine<lb/>
Kinder liebten ihn daher za&#x0364;rtlich, und folg-<lb/>
ten ihm, wo er ging und &#x017F;tand, fleißig nach.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[487/0495] der Aufopferung Jſaaks. Sie war ſein ein- ziger Gedanke des Tags uͤber, und wenn er ſchlaflos auf ſeinem Lager lag; ſie war ſein Traum in jedem Morgenſchlummer; raſch fuhr er dann auf und flehte mit gefaltnen Haͤnden, mit unterdruͤcktem Schluchzen und deſto haͤufigern Thraͤnen zu Gott: auch ihn mit dem Glauben Abrahams zu beſeeligen. So rang er ein Paar Wochen lang; und achtete ſich endlich ganz mit dem Heldenmuthe geſtaͤrkt, den die Aufopferung ſeiner Kinder erfodere. Seit geraumer Zeit war er nicht freudiger und heiterer aufgeſtanden, als an dem Morgen dieſes dazu feſtgeſezten Tages. Seine Gattin merkte ſolches und freute ſich dieſer Aenderung; er ſelbſt verrichtete ſeine Hirtenarbeit mit groͤßter Genauigkeit, und kam dann heim, ſein eignes Vieh zu melken. Er war Vater von drei Soͤhnen, und bis- her immer der beſte Vater geweſen. Seine Kinder liebten ihn daher zaͤrtlich, und folg- ten ihm, wo er ging und ſtand, fleißig nach. H h 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/495
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/495>, abgerufen am 23.11.2024.