links abgewichen! Auch der nächste Fußsteig braucht fünf Stunden Zeit, und ist ohne Weg- weiser kaum zu treffen. An Jhrer Stelle würd' ich für heute auf eine Herberge, und morgen erst auf eine weitre Reise denken."
Ganz gut! Aber wo fänd' ich wohl heute Herberge in der Nähe?
"Bei mir! Jch bin der Besizzer eines klei- nen Meierhofs, kaum eine Viertelstunde von hier. Wollen Sie nur noch ein Weilchen ver- ziehen, bis dieser Baum vollends stürzt, so nehm' ich Sie mit; und Sie werden bei mir zwar kein prächtiges, doch ziemlich gutes Nachtlager finden; sollen auch morgen ein Pferd und einen Boten bis Cahors erhalten."
Das war ein treflicher Vorschlag, den sich P. Raphael nicht zweimal thun ließ, denn er fühlte sich herzlich müde und hungrig; auch behagte ihm der freundliche Ton des Land- manns, welcher mit dem Umfällen des Baums eilte, so viel er nur konte, bald fertig war, und dann sich auf den Weg machte. Sie ka-
links abgewichen! Auch der naͤchſte Fußſteig braucht fuͤnf Stunden Zeit, und iſt ohne Weg- weiſer kaum zu treffen. An Jhrer Stelle wuͤrd' ich fuͤr heute auf eine Herberge, und morgen erſt auf eine weitre Reiſe denken.“
Ganz gut! Aber wo faͤnd' ich wohl heute Herberge in der Naͤhe?
„Bei mir! Jch bin der Beſizzer eines klei- nen Meierhofs, kaum eine Viertelſtunde von hier. Wollen Sie nur noch ein Weilchen ver- ziehen, bis dieſer Baum vollends ſtuͤrzt, ſo nehm' ich Sie mit; und Sie werden bei mir zwar kein praͤchtiges, doch ziemlich gutes Nachtlager finden; ſollen auch morgen ein Pferd und einen Boten bis Cahors erhalten.“
Das war ein treflicher Vorſchlag, den ſich P. Raphael nicht zweimal thun ließ, denn er fuͤhlte ſich herzlich muͤde und hungrig; auch behagte ihm der freundliche Ton des Land- manns, welcher mit dem Umfaͤllen des Baums eilte, ſo viel er nur konte, bald fertig war, und dann ſich auf den Weg machte. Sie ka-
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links abgewichen! Auch der naͤchſte Fußſteig
braucht fuͤnf Stunden Zeit, und iſt ohne Weg-
weiſer kaum zu treffen. An Jhrer Stelle wuͤrd'
ich fuͤr heute auf eine Herberge, und morgen
erſt auf eine weitre Reiſe denken.“
Ganz gut! Aber wo faͤnd' ich wohl heute
Herberge in der Naͤhe?
„Bei mir! Jch bin der Beſizzer eines klei-
nen Meierhofs, kaum eine Viertelſtunde von
hier. Wollen Sie nur noch ein Weilchen ver-
ziehen, bis dieſer Baum vollends ſtuͤrzt, ſo
nehm' ich Sie mit; und Sie werden bei mir
zwar kein praͤchtiges, doch ziemlich gutes
Nachtlager finden; ſollen auch morgen ein
Pferd und einen Boten bis Cahors erhalten.“
Das war ein treflicher Vorſchlag, den ſich
P. Raphael nicht zweimal thun ließ, denn er
fuͤhlte ſich herzlich muͤde und hungrig; auch
behagte ihm der freundliche Ton des Land-
manns, welcher mit dem Umfaͤllen des Baums
eilte, ſo viel er nur konte, bald fertig war,
und dann ſich auf den Weg machte. Sie ka-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/446>, abgerufen am 24.11.2024.
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