serst höflich nannte er sofort Junkern bei seinem Namen, kannte -- was an einem Amsterdamer Kaufmann etwas seltnes war -- die Schrif- ten des teutschen Gelehrten, und lud ihn end- lich, so verbindlich als möglich war, zu einem Mittagsmal ein.
Junker wunderte sich freilich über diese Be- kanntschaft und Einladung; nahm aber die leztre an; fand eine vortrefliche Tafel, eine noch junge artige Haus-Frau, einige hof- nungsvolle Knaben, und vorzüglich einen überaus freundlichen Wirth. Er befand sich unter diesen Menschen vollkommen wohl. Nach Tische ward er im ganzen Hause herumgeführt; Wohlstand, Nettigkeit und Reichthum zeigten sich überall. Endlich führt' ihn sein Wirth auch in sein Schreibkabinett, und fragte ihn, als sie sich hier beide ganz allein befanden: ob er sich seiner denn gar nicht mehr erinnere? Jun- ker, wie sehr natürlich, verneinte es mit eini- ger Verwunderung.
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ſerſt hoͤflich nannte er ſofort Junkern bei ſeinem Namen, kannte — was an einem Amſterdamer Kaufmann etwas ſeltnes war — die Schrif- ten des teutſchen Gelehrten, und lud ihn end- lich, ſo verbindlich als moͤglich war, zu einem Mittagsmal ein.
Junker wunderte ſich freilich uͤber dieſe Be- kanntſchaft und Einladung; nahm aber die leztre an; fand eine vortrefliche Tafel, eine noch junge artige Haus-Frau, einige hof- nungsvolle Knaben, und vorzuͤglich einen uͤberaus freundlichen Wirth. Er befand ſich unter dieſen Menſchen vollkommen wohl. Nach Tiſche ward er im ganzen Hauſe herumgefuͤhrt; Wohlſtand, Nettigkeit und Reichthum zeigten ſich uͤberall. Endlich fuͤhrt' ihn ſein Wirth auch in ſein Schreibkabinett, und fragte ihn, als ſie ſich hier beide ganz allein befanden: ob er ſich ſeiner denn gar nicht mehr erinnere? Jun- ker, wie ſehr natuͤrlich, verneinte es mit eini- ger Verwunderung.
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ſerſt hoͤflich nannte er ſofort Junkern bei ſeinem
Namen, kannte — was an einem Amſterdamer
Kaufmann etwas ſeltnes war — die Schrif-
ten des teutſchen Gelehrten, und lud ihn end-
lich, ſo verbindlich als moͤglich war, zu einem
Mittagsmal ein.
Junker wunderte ſich freilich uͤber dieſe Be-
kanntſchaft und Einladung; nahm aber die
leztre an; fand eine vortrefliche Tafel, eine
noch junge artige Haus-Frau, einige hof-
nungsvolle Knaben, und vorzuͤglich einen
uͤberaus freundlichen Wirth. Er befand ſich
unter dieſen Menſchen vollkommen wohl. Nach
Tiſche ward er im ganzen Hauſe herumgefuͤhrt;
Wohlſtand, Nettigkeit und Reichthum zeigten
ſich uͤberall. Endlich fuͤhrt' ihn ſein Wirth
auch in ſein Schreibkabinett, und fragte ihn,
als ſie ſich hier beide ganz allein befanden: ob er
ſich ſeiner denn gar nicht mehr erinnere? Jun-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/433>, abgerufen am 24.11.2024.
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