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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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"dieser Schrift wären ja über und über voll
"Blut!"

Einige Personen, die neben ihm standen,
warfen nun sofort ihre Blicke auf dieses Blatt;
aber sie sahen auch nicht die geringste Spur
von Blute; im Gegentheil war die Schrift
rein, groß und leserlich. Sie sagten ihm dies;
seine Bestürzung nahm zu; er blickte noch ein-
mal hin; seufzte tief, und rief aus: "Jch
Unglücklicher, nun seh' ich, daß die göttliche
Rache mich verfolgt; daß seine Langmuth
mich nicht länger ertragen will! Zwar bin ich
in Rücksicht meines Freundes würklich schuld-
los. Jch tödtete ihn wider Willen; indem ich
mich blos zu vertheidigen suchte. Doch hab' ich
leider die Todesstrafe nur alzuwohl verdient.
Denn vor fünf Jahren schon hab ich heimlich
meinen eignen Vater getödtet."

Das Schrecken der Richter bei diesem ganz
unerwarteten Geständnis läßt sich ermessen.
Sie gaben dem Selbst-Ankläger Zeit zu be-
denken, was er sage. Doch dieser blieb auf

C c 3

„dieſer Schrift waͤren ja uͤber und uͤber voll
„Blut!“

Einige Perſonen, die neben ihm ſtanden,
warfen nun ſofort ihre Blicke auf dieſes Blatt;
aber ſie ſahen auch nicht die geringſte Spur
von Blute; im Gegentheil war die Schrift
rein, groß und leſerlich. Sie ſagten ihm dies;
ſeine Beſtuͤrzung nahm zu; er blickte noch ein-
mal hin; ſeufzte tief, und rief aus: „Jch
Ungluͤcklicher, nun ſeh' ich, daß die goͤttliche
Rache mich verfolgt; daß ſeine Langmuth
mich nicht laͤnger ertragen will! Zwar bin ich
in Ruͤckſicht meines Freundes wuͤrklich ſchuld-
los. Jch toͤdtete ihn wider Willen; indem ich
mich blos zu vertheidigen ſuchte. Doch hab' ich
leider die Todesſtrafe nur alzuwohl verdient.
Denn vor fuͤnf Jahren ſchon hab ich heimlich
meinen eignen Vater getoͤdtet.“

Das Schrecken der Richter bei dieſem ganz
unerwarteten Geſtaͤndnis laͤßt ſich ermeſſen.
Sie gaben dem Selbſt-Anklaͤger Zeit zu be-
denken, was er ſage. Doch dieſer blieb auf

C c 3
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[405/0413] „dieſer Schrift waͤren ja uͤber und uͤber voll „Blut!“ Einige Perſonen, die neben ihm ſtanden, warfen nun ſofort ihre Blicke auf dieſes Blatt; aber ſie ſahen auch nicht die geringſte Spur von Blute; im Gegentheil war die Schrift rein, groß und leſerlich. Sie ſagten ihm dies; ſeine Beſtuͤrzung nahm zu; er blickte noch ein- mal hin; ſeufzte tief, und rief aus: „Jch Ungluͤcklicher, nun ſeh' ich, daß die goͤttliche Rache mich verfolgt; daß ſeine Langmuth mich nicht laͤnger ertragen will! Zwar bin ich in Ruͤckſicht meines Freundes wuͤrklich ſchuld- los. Jch toͤdtete ihn wider Willen; indem ich mich blos zu vertheidigen ſuchte. Doch hab' ich leider die Todesſtrafe nur alzuwohl verdient. Denn vor fuͤnf Jahren ſchon hab ich heimlich meinen eignen Vater getoͤdtet.“ Das Schrecken der Richter bei dieſem ganz unerwarteten Geſtaͤndnis laͤßt ſich ermeſſen. Sie gaben dem Selbſt-Anklaͤger Zeit zu be- denken, was er ſage. Doch dieſer blieb auf C c 3

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/413>, abgerufen am 24.11.2024.