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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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richtete, rief er wiederum: "Ha, immer noch
"da? Fort aus meinen Augen! Oder ich
"will lieber alles gestehn; will mich der Stra-
"fe unterwerfen, die ich verdient habe!" --
Man glaubte, er sprech' in einer Fieber-Hizze;
der Herr vom Hause ließ ihn auf ein Bett im
andern Zimmer bringen, und schickte nach ei-
nem Wundarzt, der ihm die Ader schlagen sollte.

Sehr natürlich war durch diesen Vorfall
die ganze Tafel etwas gestört worden, und
man sprach, auch nach des Offiziers Ent-
fernung, über die muthmasliche Ursache sei-
ner Krankheit. Eine Person in der Gesell-
schaft hatte bemerkt, daß die Anfälle des
Kranken gestiegen wären, so oft er ein ge-
wisses Portrait an der Wand des Zimmers
betrachtet habe; und sie fragte daher: Wen
dieses Bildnis vorstelle? Man antwortete
ihr: Es sey das Bildnis einer Dame, die
vor ohngefähr zwei Jahren, einige Meilen
von hier, auf ihrem Landsiz von Meuchel-
mördern überfallen, geplündert und getödtet

richtete, rief er wiederum: „Ha, immer noch
„da? Fort aus meinen Augen! Oder ich
„will lieber alles geſtehn; will mich der Stra-
„fe unterwerfen, die ich verdient habe!“ —
Man glaubte, er ſprech' in einer Fieber-Hizze;
der Herr vom Hauſe ließ ihn auf ein Bett im
andern Zimmer bringen, und ſchickte nach ei-
nem Wundarzt, der ihm die Ader ſchlagen ſollte.

Sehr natuͤrlich war durch dieſen Vorfall
die ganze Tafel etwas geſtoͤrt worden, und
man ſprach, auch nach des Offiziers Ent-
fernung, uͤber die muthmasliche Urſache ſei-
ner Krankheit. Eine Perſon in der Geſell-
ſchaft hatte bemerkt, daß die Anfaͤlle des
Kranken geſtiegen waͤren, ſo oft er ein ge-
wiſſes Portrait an der Wand des Zimmers
betrachtet habe; und ſie fragte daher: Wen
dieſes Bildnis vorſtelle? Man antwortete
ihr: Es ſey das Bildnis einer Dame, die
vor ohngefaͤhr zwei Jahren, einige Meilen
von hier, auf ihrem Landſiz von Meuchel-
moͤrdern uͤberfallen, gepluͤndert und getoͤdtet

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[395/0403] richtete, rief er wiederum: „Ha, immer noch „da? Fort aus meinen Augen! Oder ich „will lieber alles geſtehn; will mich der Stra- „fe unterwerfen, die ich verdient habe!“ — Man glaubte, er ſprech' in einer Fieber-Hizze; der Herr vom Hauſe ließ ihn auf ein Bett im andern Zimmer bringen, und ſchickte nach ei- nem Wundarzt, der ihm die Ader ſchlagen ſollte. Sehr natuͤrlich war durch dieſen Vorfall die ganze Tafel etwas geſtoͤrt worden, und man ſprach, auch nach des Offiziers Ent- fernung, uͤber die muthmasliche Urſache ſei- ner Krankheit. Eine Perſon in der Geſell- ſchaft hatte bemerkt, daß die Anfaͤlle des Kranken geſtiegen waͤren, ſo oft er ein ge- wiſſes Portrait an der Wand des Zimmers betrachtet habe; und ſie fragte daher: Wen dieſes Bildnis vorſtelle? Man antwortete ihr: Es ſey das Bildnis einer Dame, die vor ohngefaͤhr zwei Jahren, einige Meilen von hier, auf ihrem Landſiz von Meuchel- moͤrdern uͤberfallen, gepluͤndert und getoͤdtet

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/403>, abgerufen am 27.11.2024.