Ein Geistlicher in Nord-England -- wahr- scheinlich in der Grafschaft Lankaster, -- ward einst, als er auf die Kanzel kam, und seine Bi- bel aufschlug, in solcher ein Blättgen Papier gewahr, welches er beim ersten Blick für einen kirchlichen Aufgebots-Zettul hielt, worauf er aber beim genauern Anschauen folgende Wor- te las: "Johann P* und Jakob D* haben einen Reisenden, der bei ihnen einkehrte, Namens R** geplündert, ermordet, und seinen Leichnam im nächsten Wäldchen an dem und dem Orte verscharrt." Voll Erstaunen rief der Pfarrer sofort seinen Schulmeister, und fragte ihn: Ob er wohl ein Billet ihm in die Bibel gelegt habe? Dieser verneinte es, und der Prediger wollte nicht weiter darnach fragen; denn die Namen der angeblichen Mörder auf diesem Zettul waren
X.
Ein Geiſtlicher in Nord-England — wahr- ſcheinlich in der Grafſchaft Lankaſter, — ward einſt, als er auf die Kanzel kam, und ſeine Bi- bel aufſchlug, in ſolcher ein Blaͤttgen Papier gewahr, welches er beim erſten Blick fuͤr einen kirchlichen Aufgebots-Zettul hielt, worauf er aber beim genauern Anſchauen folgende Wor- te las: „Johann P* und Jakob D* haben einen Reiſenden, der bei ihnen einkehrte, Namens R** gepluͤndert, ermordet, und ſeinen Leichnam im naͤchſten Waͤldchen an dem und dem Orte verſcharrt.“ Voll Erſtaunen rief der Pfarrer ſofort ſeinen Schulmeiſter, und fragte ihn: Ob er wohl ein Billet ihm in die Bibel gelegt habe? Dieſer verneinte es, und der Prediger wollte nicht weiter darnach fragen; denn die Namen der angeblichen Moͤrder auf dieſem Zettul waren
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0398"n="390"/><divn="2"><head><hirendition="#aq">X</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>in Geiſtlicher in Nord-England — wahr-<lb/>ſcheinlich in der Grafſchaft Lankaſter, — ward<lb/>
einſt, als er auf die Kanzel kam, und ſeine Bi-<lb/>
bel aufſchlug, in ſolcher ein Blaͤttgen Papier<lb/>
gewahr, welches er beim erſten Blick fuͤr einen<lb/>
kirchlichen Aufgebots-Zettul hielt, worauf er<lb/>
aber beim genauern Anſchauen folgende Wor-<lb/>
te las:<lb/><hirendition="#et">„Johann P* und Jakob D* haben einen<lb/>
Reiſenden, der bei ihnen einkehrte, Namens<lb/>
R** gepluͤndert, ermordet, und ſeinen<lb/>
Leichnam im naͤchſten Waͤldchen an dem und<lb/>
dem Orte verſcharrt.“</hi><lb/>
Voll Erſtaunen rief der Pfarrer ſofort ſeinen<lb/>
Schulmeiſter, und fragte ihn: Ob er wohl<lb/>
ein Billet ihm in die Bibel gelegt habe? Dieſer<lb/>
verneinte es, und der Prediger wollte nicht<lb/>
weiter darnach fragen; denn die Namen der<lb/>
angeblichen Moͤrder auf dieſem Zettul waren<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[390/0398]
X.
Ein Geiſtlicher in Nord-England — wahr-
ſcheinlich in der Grafſchaft Lankaſter, — ward
einſt, als er auf die Kanzel kam, und ſeine Bi-
bel aufſchlug, in ſolcher ein Blaͤttgen Papier
gewahr, welches er beim erſten Blick fuͤr einen
kirchlichen Aufgebots-Zettul hielt, worauf er
aber beim genauern Anſchauen folgende Wor-
te las:
„Johann P* und Jakob D* haben einen
Reiſenden, der bei ihnen einkehrte, Namens
R** gepluͤndert, ermordet, und ſeinen
Leichnam im naͤchſten Waͤldchen an dem und
dem Orte verſcharrt.“
Voll Erſtaunen rief der Pfarrer ſofort ſeinen
Schulmeiſter, und fragte ihn: Ob er wohl
ein Billet ihm in die Bibel gelegt habe? Dieſer
verneinte es, und der Prediger wollte nicht
weiter darnach fragen; denn die Namen der
angeblichen Moͤrder auf dieſem Zettul waren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/398>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.