Jn einem Flecken, ohnweit Sens in Bour- gogne, lebten zwei Brüder, Vimorie und Har- court mit Namen. Beide waren verheirathet, doch mit Frauen von sehr verschiednem Wer- the. Messarine, Vimoriens Gattin, besaß der körperlichen Reize nur wenig, des baaren Ver- mögens desto mehr; Harcourts Gemahlin hin- gegen hatte kein andres Heirathsgut, als eine blendende Schönheit. -- Leider werden die Männer dieser leztern in der Ehe gar bald ge- wohnt, wo nicht überdrüßig. Auch Harcourt bedauerte binnen kurzem, daß er nicht auch so wie sein Bruder gewählt habe; ja er haßte so- gar denselben dieses Vorzugs halber und such- te ihn um sein Vermögen und seine Frau, -- doch so, daß er sich desfalls nicht mit der Ge- rechtigkeit überwürfe! -- zu bringen.
Nur alzubald gelang es ihm. Häslich von Seele, doch desto angenehmer in seinem Aeus- serlichen, vermocht er durch männlichen Reiz und durch die Kunst der Verführung das Herz seiner Schwägerin leicht zu rühren, vermochte
Jn einem Flecken, ohnweit Sens in Bour- gogne, lebten zwei Bruͤder, Vimorie und Har- court mit Namen. Beide waren verheirathet, doch mit Frauen von ſehr verſchiednem Wer- the. Meſſarine, Vimoriens Gattin, beſaß der koͤrperlichen Reize nur wenig, des baaren Ver- moͤgens deſto mehr; Harcourts Gemahlin hin- gegen hatte kein andres Heirathsgut, als eine blendende Schoͤnheit. — Leider werden die Maͤnner dieſer leztern in der Ehe gar bald ge- wohnt, wo nicht uͤberdruͤßig. Auch Harcourt bedauerte binnen kurzem, daß er nicht auch ſo wie ſein Bruder gewaͤhlt habe; ja er haßte ſo- gar denſelben dieſes Vorzugs halber und ſuch- te ihn um ſein Vermoͤgen und ſeine Frau, — doch ſo, daß er ſich desfalls nicht mit der Ge- rechtigkeit uͤberwuͤrfe! — zu bringen.
Nur alzubald gelang es ihm. Haͤslich von Seele, doch deſto angenehmer in ſeinem Aeuſ- ſerlichen, vermocht er durch maͤnnlichen Reiz und durch die Kunſt der Verfuͤhrung das Herz ſeiner Schwaͤgerin leicht zu ruͤhren, vermochte
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Jn einem Flecken, ohnweit Sens in Bour-
gogne, lebten zwei Bruͤder, Vimorie und Har-
court mit Namen. Beide waren verheirathet,
doch mit Frauen von ſehr verſchiednem Wer-
the. Meſſarine, Vimoriens Gattin, beſaß der
koͤrperlichen Reize nur wenig, des baaren Ver-
moͤgens deſto mehr; Harcourts Gemahlin hin-
gegen hatte kein andres Heirathsgut, als eine
blendende Schoͤnheit. — Leider werden die
Maͤnner dieſer leztern in der Ehe gar bald ge-
wohnt, wo nicht uͤberdruͤßig. Auch Harcourt
bedauerte binnen kurzem, daß er nicht auch ſo
wie ſein Bruder gewaͤhlt habe; ja er haßte ſo-
gar denſelben dieſes Vorzugs halber und ſuch-
te ihn um ſein Vermoͤgen und ſeine Frau, —
doch ſo, daß er ſich desfalls nicht mit der Ge-
rechtigkeit uͤberwuͤrfe! — zu bringen.
Nur alzubald gelang es ihm. Haͤslich von
Seele, doch deſto angenehmer in ſeinem Aeuſ-
ſerlichen, vermocht er durch maͤnnlichen Reiz
und durch die Kunſt der Verfuͤhrung das Herz
ſeiner Schwaͤgerin leicht zu ruͤhren, vermochte
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/374>, abgerufen am 24.11.2024.
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