auf einer benachbarten Wiese. Als zehn Ta- ge drauf die Gastwirthin zurückkam, überre- dete sie ihr Mann: Herr von Laurier sei schon seit einer Woche frisch und gesund nach Dijon abgereist. Das Pferd des Ermorde- ten hatte Adrians Mordgehülfe im Wald ge- führt, und gesattelt und gezäumt laufen las- sen. Vielleicht, glaubten sie, werd' es den Weg nach Hause finden, und die Familie des Unglücklichen, wenn sie das Roß ledig ankom- men sähen, muthmaßen: sein Herr, ihr Ver- wandter, sei im Walde geplündert und ermor- det worden.
Schlau genug waren diese Maasregeln. Ein Monat verging; niemand sprach noch von diesem Unfall. Nach dieser Zeit gingen einige Personen aus der Nachbarschaft bei der Wiese vorbei, wo Lauriers Leichnam lag. Sie erblickten einen Wolf, der vom Walde herein- gekommen seyn muste, und an einem menschli- chen Körper zu fressen schien. Theils in der Ungewißheit, ob ein Knabe vielleicht vom
auf einer benachbarten Wieſe. Als zehn Ta- ge drauf die Gaſtwirthin zuruͤckkam, uͤberre- dete ſie ihr Mann: Herr von Laurier ſei ſchon ſeit einer Woche friſch und geſund nach Dijon abgereiſt. Das Pferd des Ermorde- ten hatte Adrians Mordgehuͤlfe im Wald ge- fuͤhrt, und geſattelt und gezaͤumt laufen laſ- ſen. Vielleicht, glaubten ſie, werd' es den Weg nach Hauſe finden, und die Familie des Ungluͤcklichen, wenn ſie das Roß ledig ankom- men ſaͤhen, muthmaßen: ſein Herr, ihr Ver- wandter, ſei im Walde gepluͤndert und ermor- det worden.
Schlau genug waren dieſe Maasregeln. Ein Monat verging; niemand ſprach noch von dieſem Unfall. Nach dieſer Zeit gingen einige Perſonen aus der Nachbarſchaft bei der Wieſe vorbei, wo Lauriers Leichnam lag. Sie erblickten einen Wolf, der vom Walde herein- gekommen ſeyn muſte, und an einem menſchli- chen Koͤrper zu freſſen ſchien. Theils in der Ungewißheit, ob ein Knabe vielleicht vom
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auf einer benachbarten Wieſe. Als zehn Ta-
ge drauf die Gaſtwirthin zuruͤckkam, uͤberre-
dete ſie ihr Mann: Herr von Laurier ſei
ſchon ſeit einer Woche friſch und geſund nach
Dijon abgereiſt. Das Pferd des Ermorde-
ten hatte Adrians Mordgehuͤlfe im Wald ge-
fuͤhrt, und geſattelt und gezaͤumt laufen laſ-
ſen. Vielleicht, glaubten ſie, werd' es den
Weg nach Hauſe finden, und die Familie des
Ungluͤcklichen, wenn ſie das Roß ledig ankom-
men ſaͤhen, muthmaßen: ſein Herr, ihr Ver-
wandter, ſei im Walde gepluͤndert und ermor-
det worden.
Schlau genug waren dieſe Maasregeln.
Ein Monat verging; niemand ſprach noch
von dieſem Unfall. Nach dieſer Zeit gingen
einige Perſonen aus der Nachbarſchaft bei der
Wieſe vorbei, wo Lauriers Leichnam lag. Sie
erblickten einen Wolf, der vom Walde herein-
gekommen ſeyn muſte, und an einem menſchli-
chen Koͤrper zu freſſen ſchien. Theils in der
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/357>, abgerufen am 24.11.2024.
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