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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Nachricht. Die eigentliche Beschaffenheit der
Sache dämmert sofort vor den Augen seines
Geistes. Er drängt sich zu den Gerichtsper-
sonen hin, die immer einer solchen Hinrich-
tung beizuwohnen pflegen. Er bittet sie, die-
se Strafhandlung nur noch auf einige Minu-
ten zu verschieben, weil er etwas Wichtiges
ihnen zu entdecken habe. Seine Bitte wird
ihm gewährt; und nun erzählt er das Ge-
spräche, das er mit Viktorinen hielt, als sie
Gift von ihm für ihren Gemal begehrte. Daß
eine solche Erzählung den Richtern auffallen
mußte, ergibt sich von selbst. Man schickt so-
fort nach Viktorinen. Sie kömmt, zuversicht-
lich genug. Aber kaum erblickt sie den Apo-
theker, so erblaßt sie und sinkt ohnmächtig zu
Boden. Man bringt sie ins Gefängniß, und
in der nächsten Stunde auf die Folter. Doch
gleich bei den ersten Versuchen bekennt sie nun
alles -- ihre Mitwissenschaft um den Mord
ihres ersten Gemals, Faßinos Vergiftung,

Nachricht. Die eigentliche Beſchaffenheit der
Sache daͤmmert ſofort vor den Augen ſeines
Geiſtes. Er draͤngt ſich zu den Gerichtsper-
ſonen hin, die immer einer ſolchen Hinrich-
tung beizuwohnen pflegen. Er bittet ſie, die-
ſe Strafhandlung nur noch auf einige Minu-
ten zu verſchieben, weil er etwas Wichtiges
ihnen zu entdecken habe. Seine Bitte wird
ihm gewaͤhrt; und nun erzaͤhlt er das Ge-
ſpraͤche, das er mit Viktorinen hielt, als ſie
Gift von ihm fuͤr ihren Gemal begehrte. Daß
eine ſolche Erzaͤhlung den Richtern auffallen
mußte, ergibt ſich von ſelbſt. Man ſchickt ſo-
fort nach Viktorinen. Sie koͤmmt, zuverſicht-
lich genug. Aber kaum erblickt ſie den Apo-
theker, ſo erblaßt ſie und ſinkt ohnmaͤchtig zu
Boden. Man bringt ſie ins Gefaͤngniß, und
in der naͤchſten Stunde auf die Folter. Doch
gleich bei den erſten Verſuchen bekennt ſie nun
alles — ihre Mitwiſſenſchaft um den Mord
ihres erſten Gemals, Faßinos Vergiftung,

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[340/0348] Nachricht. Die eigentliche Beſchaffenheit der Sache daͤmmert ſofort vor den Augen ſeines Geiſtes. Er draͤngt ſich zu den Gerichtsper- ſonen hin, die immer einer ſolchen Hinrich- tung beizuwohnen pflegen. Er bittet ſie, die- ſe Strafhandlung nur noch auf einige Minu- ten zu verſchieben, weil er etwas Wichtiges ihnen zu entdecken habe. Seine Bitte wird ihm gewaͤhrt; und nun erzaͤhlt er das Ge- ſpraͤche, das er mit Viktorinen hielt, als ſie Gift von ihm fuͤr ihren Gemal begehrte. Daß eine ſolche Erzaͤhlung den Richtern auffallen mußte, ergibt ſich von ſelbſt. Man ſchickt ſo- fort nach Viktorinen. Sie koͤmmt, zuverſicht- lich genug. Aber kaum erblickt ſie den Apo- theker, ſo erblaßt ſie und ſinkt ohnmaͤchtig zu Boden. Man bringt ſie ins Gefaͤngniß, und in der naͤchſten Stunde auf die Folter. Doch gleich bei den erſten Verſuchen bekennt ſie nun alles — ihre Mitwiſſenſchaft um den Mord ihres erſten Gemals, Faßinos Vergiftung,

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/348>, abgerufen am 23.11.2024.