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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Wasser; schwamm nach seiner Gondel zurück;
stürzte, nicht minder unvermuthet seinen eig-
nen, mitwissenden Gondolier über Bord; ver-
zog bis tief in die Nacht hinein auf dem Schif-
fe; landete alsdann; schlich zu seiner Gebie-
terin, und meldete ihr froh, obschon mit so
vielem Blute belastet, den glücklichen Erfolg
seiner Schandthat.

Zur Vermeidung alles Verdachts ward
man einig, eine kurze Zeit hindurch sich nicht
zu sehn und zu sprechen. Alles ging im An-
fang erwünscht. Ganz Venedig glaubte, daß der
arme Alte ertrunken sey. Aber ohngefähr acht
Tage nachher fanden einige Fischer seinen Leich-
nam, und man sah, daß er ermordet worden
sey. Mancherlei Muthmaßungen entstanden
deshalb; doch blieb der Mörder unverhaftet,
wenn auch nicht unverdächtig. Erst als der
Bruder des Erschlagenen nach Venedig kam,
gewann der Handel ein andres Ansehn. Die-
sem war sowohl die wenige Liebe, die Vikto-
rine gegen ihren Gatten gehegt, als auch ihr

Waſſer; ſchwamm nach ſeiner Gondel zuruͤck;
ſtuͤrzte, nicht minder unvermuthet ſeinen eig-
nen, mitwiſſenden Gondolier uͤber Bord; ver-
zog bis tief in die Nacht hinein auf dem Schif-
fe; landete alsdann; ſchlich zu ſeiner Gebie-
terin, und meldete ihr froh, obſchon mit ſo
vielem Blute belaſtet, den gluͤcklichen Erfolg
ſeiner Schandthat.

Zur Vermeidung alles Verdachts ward
man einig, eine kurze Zeit hindurch ſich nicht
zu ſehn und zu ſprechen. Alles ging im An-
fang erwuͤnſcht. Ganz Venedig glaubte, daß der
arme Alte ertrunken ſey. Aber ohngefaͤhr acht
Tage nachher fanden einige Fiſcher ſeinen Leich-
nam, und man ſah, daß er ermordet worden
ſey. Mancherlei Muthmaßungen entſtanden
deshalb; doch blieb der Moͤrder unverhaftet,
wenn auch nicht unverdaͤchtig. Erſt als der
Bruder des Erſchlagenen nach Venedig kam,
gewann der Handel ein andres Anſehn. Die-
ſem war ſowohl die wenige Liebe, die Vikto-
rine gegen ihren Gatten gehegt, als auch ihr

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[335/0343] Waſſer; ſchwamm nach ſeiner Gondel zuruͤck; ſtuͤrzte, nicht minder unvermuthet ſeinen eig- nen, mitwiſſenden Gondolier uͤber Bord; ver- zog bis tief in die Nacht hinein auf dem Schif- fe; landete alsdann; ſchlich zu ſeiner Gebie- terin, und meldete ihr froh, obſchon mit ſo vielem Blute belaſtet, den gluͤcklichen Erfolg ſeiner Schandthat. Zur Vermeidung alles Verdachts ward man einig, eine kurze Zeit hindurch ſich nicht zu ſehn und zu ſprechen. Alles ging im An- fang erwuͤnſcht. Ganz Venedig glaubte, daß der arme Alte ertrunken ſey. Aber ohngefaͤhr acht Tage nachher fanden einige Fiſcher ſeinen Leich- nam, und man ſah, daß er ermordet worden ſey. Mancherlei Muthmaßungen entſtanden deshalb; doch blieb der Moͤrder unverhaftet, wenn auch nicht unverdaͤchtig. Erſt als der Bruder des Erſchlagenen nach Venedig kam, gewann der Handel ein andres Anſehn. Die- ſem war ſowohl die wenige Liebe, die Vikto- rine gegen ihren Gatten gehegt, als auch ihr

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/343>, abgerufen am 23.11.2024.