schon ziemlich bejahrter Mann mit einerGleich- gültigkeit, die alle Anwesende in Verwundrung sezte. Unter diesen Anwesenden war auch, seiner Amtspflicht gemäß, so sehr sein Herz dabei litt, Graf K--gl, damals K. K. Ap- pellationsrath, jezt Kreishauptmann in E. Die Folter war endlich vorüber; der Alte ward noch über einige Punkte befragt. Jn- dem dies geschah, zog K--gl von ohngefähr seine Schnupftobaksdose hervor, und das Au- ge des Juden richtete sich sofort starr auf die- selbe. Der Graf bemerkte dieses. "Schnupft ihr vielleicht Tobak, Alter?" -- "Sonst wohl, und zwar sehr gern! Jezt ist es mir schon lange nicht mehr so gut geworden, nur eine Prise zu bekommen." -- "Hier habt ihr eine!" und der Graf schüttete ihm einen Theil seines To- baks auf die Hand. Der Greis schnupfte; eine Thräne trat ihm ins Auge; er schwieg ein paar Minuten. "Gnädger Herr, hob er endlich an, Sie sind brav; das seh' ich. Die Folter hätt' ich überstanden. Aber
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ſchon ziemlich bejahrter Mann mit einerGleich- guͤltigkeit, die alle Anweſende in Verwundrung ſezte. Unter dieſen Anweſenden war auch, ſeiner Amtspflicht gemaͤß, ſo ſehr ſein Herz dabei litt, Graf K—gl, damals K. K. Ap- pellationsrath, jezt Kreishauptmann in E. Die Folter war endlich voruͤber; der Alte ward noch uͤber einige Punkte befragt. Jn- dem dies geſchah, zog K—gl von ohngefaͤhr ſeine Schnupftobaksdoſe hervor, und das Au- ge des Juden richtete ſich ſofort ſtarr auf die- ſelbe. Der Graf bemerkte dieſes. „Schnupft ihr vielleicht Tobak, Alter?“ — „Sonſt wohl, und zwar ſehr gern! Jezt iſt es mir ſchon lange nicht mehr ſo gut geworden, nur eine Priſe zu bekommen.“ — „Hier habt ihr eine!“ und der Graf ſchuͤttete ihm einen Theil ſeines To- baks auf die Hand. Der Greis ſchnupfte; eine Thraͤne trat ihm ins Auge; er ſchwieg ein paar Minuten. „Gnaͤdger Herr, hob er endlich an, Sie ſind brav; das ſeh' ich. Die Folter haͤtt' ich uͤberſtanden. Aber
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ſchon ziemlich bejahrter Mann mit einerGleich-
guͤltigkeit, die alle Anweſende in Verwundrung
ſezte. Unter dieſen Anweſenden war auch,
ſeiner Amtspflicht gemaͤß, ſo ſehr ſein Herz
dabei litt, Graf K—gl, damals K. K. Ap-
pellationsrath, jezt Kreishauptmann in E.
Die Folter war endlich voruͤber; der Alte
ward noch uͤber einige Punkte befragt. Jn-
dem dies geſchah, zog K—gl von ohngefaͤhr
ſeine Schnupftobaksdoſe hervor, und das Au-
ge des Juden richtete ſich ſofort ſtarr auf die-
ſelbe. Der Graf bemerkte dieſes. „Schnupft
ihr vielleicht Tobak, Alter?“ — „Sonſt wohl,
und zwar ſehr gern! Jezt iſt es mir ſchon lange
nicht mehr ſo gut geworden, nur eine Priſe zu
bekommen.“ — „Hier habt ihr eine!“ und
der Graf ſchuͤttete ihm einen Theil ſeines To-
baks auf die Hand. Der Greis ſchnupfte;
eine Thraͤne trat ihm ins Auge; er ſchwieg
ein paar Minuten. „Gnaͤdger Herr, hob
er endlich an, Sie ſind brav; das ſeh'
ich. Die Folter haͤtt' ich uͤberſtanden. Aber
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/335>, abgerufen am 23.11.2024.
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