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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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angeblichen Morde in zwanzig Zeitungen ge-
lesen, das Unvermögen sich gebührend zu recht-
fertigen, -- dies habe ihn endlich zu dem Ent-
schlus gedrängt, den Namen zu behalten, den
er angenommen, und seinen vorigen einer un-
verdienten Schmach zu überlassen."

Ein Geschichtgen dieser Art war freilich
nicht vermögend, die Gerichten zu täuschen;
auch behandelten sie es anfangs blos mit Ver-
achtung; hoften den Erzähler desselben bald in
weiterm Verhöre durch Fragen und Einwürfe
zu verstricken. Sie irrten. R. hatte, was er ge-
sagt, vollkommen durchdacht: er widersprach
sich nie; schweifte im drei - vierfachen Verhör
nie über die sich selbst gesteckten Grenzen; ge-
stand selbst die Unwahrscheinlichkeit seines Vor-
gebens, und beharrte doch fest auf seiner Wahr-
heit; berief sich auf nichts, als sein eignes Ge-
wissen, und (zuweilen nur) auf die Schuldlo-
sigkeit seines ganzen Lebens, vor der Flucht so-
wohl als auch im Hause seines Schwiegerva-
ters. Dieses leztere war Wahrheit, aber
kein Beweis gegen die That, und für seine

angeblichen Morde in zwanzig Zeitungen ge-
leſen, das Unvermoͤgen ſich gebuͤhrend zu recht-
fertigen, — dies habe ihn endlich zu dem Ent-
ſchlus gedraͤngt, den Namen zu behalten, den
er angenommen, und ſeinen vorigen einer un-
verdienten Schmach zu uͤberlaſſen.“

Ein Geſchichtgen dieſer Art war freilich
nicht vermoͤgend, die Gerichten zu taͤuſchen;
auch behandelten ſie es anfangs blos mit Ver-
achtung; hoften den Erzaͤhler deſſelben bald in
weiterm Verhoͤre durch Fragen und Einwuͤrfe
zu verſtricken. Sie irrten. R. hatte, was er ge-
ſagt, vollkommen durchdacht: er widerſprach
ſich nie; ſchweifte im drei – vierfachen Verhoͤr
nie uͤber die ſich ſelbſt geſteckten Grenzen; ge-
ſtand ſelbſt die Unwahrſcheinlichkeit ſeines Vor-
gebens, und beharrte doch feſt auf ſeiner Wahr-
heit; berief ſich auf nichts, als ſein eignes Ge-
wiſſen, und (zuweilen nur) auf die Schuldlo-
ſigkeit ſeines ganzen Lebens, vor der Flucht ſo-
wohl als auch im Hauſe ſeines Schwiegerva-
ters. Dieſes leztere war Wahrheit, aber
kein Beweis gegen die That, und fuͤr ſeine

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[299/0307] angeblichen Morde in zwanzig Zeitungen ge- leſen, das Unvermoͤgen ſich gebuͤhrend zu recht- fertigen, — dies habe ihn endlich zu dem Ent- ſchlus gedraͤngt, den Namen zu behalten, den er angenommen, und ſeinen vorigen einer un- verdienten Schmach zu uͤberlaſſen.“ Ein Geſchichtgen dieſer Art war freilich nicht vermoͤgend, die Gerichten zu taͤuſchen; auch behandelten ſie es anfangs blos mit Ver- achtung; hoften den Erzaͤhler deſſelben bald in weiterm Verhoͤre durch Fragen und Einwuͤrfe zu verſtricken. Sie irrten. R. hatte, was er ge- ſagt, vollkommen durchdacht: er widerſprach ſich nie; ſchweifte im drei – vierfachen Verhoͤr nie uͤber die ſich ſelbſt geſteckten Grenzen; ge- ſtand ſelbſt die Unwahrſcheinlichkeit ſeines Vor- gebens, und beharrte doch feſt auf ſeiner Wahr- heit; berief ſich auf nichts, als ſein eignes Ge- wiſſen, und (zuweilen nur) auf die Schuldlo- ſigkeit ſeines ganzen Lebens, vor der Flucht ſo- wohl als auch im Hauſe ſeines Schwiegerva- ters. Dieſes leztere war Wahrheit, aber kein Beweis gegen die That, und fuͤr ſeine

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/307>, abgerufen am 23.11.2024.