stickte alles Mitleid. Schon wollte er jenen nichtswürdigen Heuchler (denn dafür hielt er ihn) ein paarmal durch die Frage: Ob er nie in N -- g gewesen sey? ängstigen. Aus Besorgnis: es könne doch eine noch zu frühe Warnung abgeben, hielt er sie wieder zurück. Gleich nach der Tafel zog er den Hausherrn in ein andres Gemach, und ent- deckte ihm alles. Dieser staunte, glaubte nicht, widersprach. Siebalds Ueberzeugung wankte keineswegs. Den gutgemeinten Rath: selbst dann zu schweigen, wenn seine Vermu- thung gegründet seyn sollte, verwarf er als gewissenswidrig. Daß der Fremde wenigstens in dem Hause, wo er sich befand, verschont bleibe; -- war alles, was er einging. Ohne Rückkehr zur Gesellschaft eilt' er nach der Stadt; suchte den Bürgermeister auf, der dies Jahr die Regierung hatte, und verlangte ei- nen Verhaftsbefehl gegen den Verbrecher.
Auch dieser stuzte bei der Erzählung: Auch dieser widerrieth es dem jungen feurigen Mann, sich in einen Handel zu mischen, wo kein Vor-
ſtickte alles Mitleid. Schon wollte er jenen nichtswuͤrdigen Heuchler (denn dafuͤr hielt er ihn) ein paarmal durch die Frage: Ob er nie in N — g geweſen ſey? aͤngſtigen. Aus Beſorgnis: es koͤnne doch eine noch zu fruͤhe Warnung abgeben, hielt er ſie wieder zuruͤck. Gleich nach der Tafel zog er den Hausherrn in ein andres Gemach, und ent- deckte ihm alles. Dieſer ſtaunte, glaubte nicht, widerſprach. Siebalds Ueberzeugung wankte keineswegs. Den gutgemeinten Rath: ſelbſt dann zu ſchweigen, wenn ſeine Vermu- thung gegruͤndet ſeyn ſollte, verwarf er als gewiſſenswidrig. Daß der Fremde wenigſtens in dem Hauſe, wo er ſich befand, verſchont bleibe; — war alles, was er einging. Ohne Ruͤckkehr zur Geſellſchaft eilt' er nach der Stadt; ſuchte den Buͤrgermeiſter auf, der dies Jahr die Regierung hatte, und verlangte ei- nen Verhaftsbefehl gegen den Verbrecher.
Auch dieſer ſtuzte bei der Erzaͤhlung: Auch dieſer widerrieth es dem jungen feurigen Mann, ſich in einen Handel zu miſchen, wo kein Vor-
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ſtickte alles Mitleid. Schon wollte er jenen
nichtswuͤrdigen Heuchler (denn dafuͤr hielt
er ihn) ein paarmal durch die Frage: Ob
er nie in N — g geweſen ſey? aͤngſtigen.
Aus Beſorgnis: es koͤnne doch eine noch zu
fruͤhe Warnung abgeben, hielt er ſie wieder
zuruͤck. Gleich nach der Tafel zog er den
Hausherrn in ein andres Gemach, und ent-
deckte ihm alles. Dieſer ſtaunte, glaubte
nicht, widerſprach. Siebalds Ueberzeugung
wankte keineswegs. Den gutgemeinten Rath:
ſelbſt dann zu ſchweigen, wenn ſeine Vermu-
thung gegruͤndet ſeyn ſollte, verwarf er als
gewiſſenswidrig. Daß der Fremde wenigſtens
in dem Hauſe, wo er ſich befand, verſchont
bleibe; — war alles, was er einging. Ohne
Ruͤckkehr zur Geſellſchaft eilt' er nach der
Stadt; ſuchte den Buͤrgermeiſter auf, der dies
Jahr die Regierung hatte, und verlangte ei-
nen Verhaftsbefehl gegen den Verbrecher.
Auch dieſer ſtuzte bei der Erzaͤhlung: Auch
dieſer widerrieth es dem jungen feurigen Mann,
ſich in einen Handel zu miſchen, wo kein Vor-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/298>, abgerufen am 23.11.2024.
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