schrieb, doch nicht ganz fertig sprach. Er trug sich daher dem Kaufmann von weiten an. Schon hatte dieser im Gespräch gespürt: daß R. Handlungskentnisse besizze. Mit Freu- den schlug er ein; noch den Abend reisten sie zusammen ab.
R. war gewiß Willens nur wenige Monate in H** zu verbleiben. Aber er fand das Oert- chen so reinlich und nett, die Gegend umher so romantisch, unter dem kleinen Kreis neuer Bekannten einige so angenehm, seinen alten Herrn so gut, seine Handlungsgeschäfte (wo- von ein großer Theil in Unterschleifswaaren bestand) so leicht und doch nicht unbedeutend, daß es ihm weit besser gefiel, als er im An- fang selbst vermuthet hatte. Ein gewisses stilles Leben kan uns bald zur Gewohnheit werden. Der Wurm in R's Seele, die Furcht beim Ausflug in die weite Welt entdeckt zu werden, nagte fort. Er blieb daher andert- halb Jahre hier, ohne sich nur zu rühren. Als er dann Miene machte, seinen Stab wei-
S 5
ſchrieb, doch nicht ganz fertig ſprach. Er trug ſich daher dem Kaufmann von weiten an. Schon hatte dieſer im Geſpraͤch geſpuͤrt: daß R. Handlungskentniſſe beſizze. Mit Freu- den ſchlug er ein; noch den Abend reiſten ſie zuſammen ab.
R. war gewiß Willens nur wenige Monate in H** zu verbleiben. Aber er fand das Oert- chen ſo reinlich und nett, die Gegend umher ſo romantiſch, unter dem kleinen Kreis neuer Bekannten einige ſo angenehm, ſeinen alten Herrn ſo gut, ſeine Handlungsgeſchaͤfte (wo- von ein großer Theil in Unterſchleifswaaren beſtand) ſo leicht und doch nicht unbedeutend, daß es ihm weit beſſer gefiel, als er im An- fang ſelbſt vermuthet hatte. Ein gewiſſes ſtilles Leben kan uns bald zur Gewohnheit werden. Der Wurm in R's Seele, die Furcht beim Ausflug in die weite Welt entdeckt zu werden, nagte fort. Er blieb daher andert- halb Jahre hier, ohne ſich nur zu ruͤhren. Als er dann Miene machte, ſeinen Stab wei-
S 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0289"n="281"/>ſchrieb, doch nicht ganz fertig ſprach. Er trug<lb/>ſich daher dem Kaufmann von weiten an.<lb/>
Schon hatte dieſer im Geſpraͤch geſpuͤrt: daß<lb/>
R. Handlungskentniſſe beſizze. Mit Freu-<lb/>
den ſchlug er ein; noch <hirendition="#g">den</hi> Abend reiſten ſie<lb/>
zuſammen ab.</p><lb/><p>R. war gewiß Willens nur wenige Monate<lb/>
in H** zu verbleiben. Aber er fand das Oert-<lb/>
chen ſo reinlich und nett, die Gegend umher<lb/>ſo romantiſch, unter dem kleinen Kreis neuer<lb/>
Bekannten einige ſo angenehm, ſeinen alten<lb/>
Herrn ſo gut, ſeine Handlungsgeſchaͤfte (wo-<lb/>
von ein großer Theil in Unterſchleifswaaren<lb/>
beſtand) ſo leicht und doch nicht unbedeutend,<lb/>
daß es ihm weit beſſer gefiel, als er im An-<lb/>
fang ſelbſt vermuthet hatte. Ein gewiſſes<lb/>ſtilles Leben kan uns bald zur Gewohnheit<lb/>
werden. Der Wurm in R's Seele, die Furcht<lb/>
beim Ausflug in die weite Welt entdeckt zu<lb/>
werden, nagte fort. Er blieb daher andert-<lb/>
halb Jahre hier, ohne ſich nur zu ruͤhren.<lb/>
Als er dann Miene machte, ſeinen Stab wei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 5</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[281/0289]
ſchrieb, doch nicht ganz fertig ſprach. Er trug
ſich daher dem Kaufmann von weiten an.
Schon hatte dieſer im Geſpraͤch geſpuͤrt: daß
R. Handlungskentniſſe beſizze. Mit Freu-
den ſchlug er ein; noch den Abend reiſten ſie
zuſammen ab.
R. war gewiß Willens nur wenige Monate
in H** zu verbleiben. Aber er fand das Oert-
chen ſo reinlich und nett, die Gegend umher
ſo romantiſch, unter dem kleinen Kreis neuer
Bekannten einige ſo angenehm, ſeinen alten
Herrn ſo gut, ſeine Handlungsgeſchaͤfte (wo-
von ein großer Theil in Unterſchleifswaaren
beſtand) ſo leicht und doch nicht unbedeutend,
daß es ihm weit beſſer gefiel, als er im An-
fang ſelbſt vermuthet hatte. Ein gewiſſes
ſtilles Leben kan uns bald zur Gewohnheit
werden. Der Wurm in R's Seele, die Furcht
beim Ausflug in die weite Welt entdeckt zu
werden, nagte fort. Er blieb daher andert-
halb Jahre hier, ohne ſich nur zu ruͤhren.
Als er dann Miene machte, ſeinen Stab wei-
S 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/289>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.