ihn durchs Herz. Die kalte, schier verächtliche Miene mancher, sonst gegen ihn freundlichen Mädchen that ihm weh; fast weher noch das mistrauische Achselzucken einiger Biedermän- ner, denen er seinen Vorsaz eröfnete. Je näher er dem Zeitpunkt rückte, wo er im völligen Besiz seiner ehrwürdigen Matrone treten sol- te, je bänglicher ward ihm bei dieser, sich selbst auferlegten Kasteiung. Jn den Liebkosungen, die sie jezt von ihm erwartete und nicht sel- ten begehrte, lag schon so viel peinliches für ihn. Welche Freude konnt' er sich erst vom Ehstand selbst versprechen! Doch hätte er sich noch vielleicht gezwungen, aber anch ein an- drer Querstrich in seinen Plänen vermehrte den Mismuth gewaltig.
Bei Heirathen, die der Eigenuz schließt, ist Ehestiftung immer eine sehr wichtige Sache, oder vielmehr die wichtigste von allen. Auch R. hatte sie bald in Vorschlag gebracht; hät- te lieber am Verlobungstage schon sie aufge- sezt gesehn. Doch unter mancherlei Vorwand
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ihn durchs Herz. Die kalte, ſchier veraͤchtliche Miene mancher, ſonſt gegen ihn freundlichen Maͤdchen that ihm weh; faſt weher noch das mistrauiſche Achſelzucken einiger Biedermaͤn- ner, denen er ſeinen Vorſaz eroͤfnete. Je naͤher er dem Zeitpunkt ruͤckte, wo er im voͤlligen Beſiz ſeiner ehrwuͤrdigen Matrone treten ſol- te, je baͤnglicher ward ihm bei dieſer, ſich ſelbſt auferlegten Kaſteiung. Jn den Liebkoſungen, die ſie jezt von ihm erwartete und nicht ſel- ten begehrte, lag ſchon ſo viel peinliches fuͤr ihn. Welche Freude konnt' er ſich erſt vom Ehſtand ſelbſt verſprechen! Doch haͤtte er ſich noch vielleicht gezwungen, aber anch ein an- drer Querſtrich in ſeinen Plaͤnen vermehrte den Mismuth gewaltig.
Bei Heirathen, die der Eigenuz ſchließt, iſt Eheſtiftung immer eine ſehr wichtige Sache, oder vielmehr die wichtigſte von allen. Auch R. hatte ſie bald in Vorſchlag gebracht; haͤt- te lieber am Verlobungstage ſchon ſie aufge- ſezt geſehn. Doch unter mancherlei Vorwand
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ihn durchs Herz. Die kalte, ſchier veraͤchtliche
Miene mancher, ſonſt gegen ihn freundlichen
Maͤdchen that ihm weh; faſt weher noch das
mistrauiſche Achſelzucken einiger Biedermaͤn-
ner, denen er ſeinen Vorſaz eroͤfnete. Je naͤher
er dem Zeitpunkt ruͤckte, wo er im voͤlligen
Beſiz ſeiner ehrwuͤrdigen Matrone treten ſol-
te, je baͤnglicher ward ihm bei dieſer, ſich ſelbſt
auferlegten Kaſteiung. Jn den Liebkoſungen,
die ſie jezt von ihm erwartete und nicht ſel-
ten begehrte, lag ſchon ſo viel peinliches
fuͤr ihn. Welche Freude konnt' er ſich erſt vom
Ehſtand ſelbſt verſprechen! Doch haͤtte er ſich
noch vielleicht gezwungen, aber anch ein an-
drer Querſtrich in ſeinen Plaͤnen vermehrte
den Mismuth gewaltig.
Bei Heirathen, die der Eigenuz ſchließt,
iſt Eheſtiftung immer eine ſehr wichtige Sache,
oder vielmehr die wichtigſte von allen. Auch
R. hatte ſie bald in Vorſchlag gebracht; haͤt-
te lieber am Verlobungstage ſchon ſie aufge-
ſezt geſehn. Doch unter mancherlei Vorwand
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/267>, abgerufen am 23.11.2024.
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