Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

sie herkam, verkauft hatte. Bei diesem An-
blick stuzte sie. Unterm Vorwand, troz jenes
Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em-
pfehlen, trat sie ein paar Schritt näher; sah
genauer auf diesen Stuhl, und ward immer
überzeugter: es waren eben dieselben! Der
Mann befohl ihr abermals sich zu packen;
Sie that es.

Jm Heruntergehn erkundigte sie sich bei ei-
nem Kellner: Wer der Herr sei, der Numer
fünfe wohne? -- "Ein Fremder, der gestern
aus Steiermark angekommen!" -- Mit viel
Gepäck? -- "Nein, ohne Bedienten; mit
ein paar Mantelsäcken." -- Dies gab keinen
Aufschlus, weder für noch darwider. Aber
ein gewißer inrer Trieb ward immer stärker in
ihr. -- Sie ging grade zur Polizei und zeig-
te an: "Jener ausgestelte Erschlagne habe
"vor einigen Wochen in dem oftbenannten Gast-
"hofe gewohnt, und ein paar Strumpfbän-
"der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem
"Zimmer, eben dem Bette, ein Mensch mit
"höchst verdächtigem Gesichte, und neben ihm

ſie herkam, verkauft hatte. Bei dieſem An-
blick ſtuzte ſie. Unterm Vorwand, troz jenes
Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em-
pfehlen, trat ſie ein paar Schritt naͤher; ſah
genauer auf dieſen Stuhl, und ward immer
uͤberzeugter: es waren eben dieſelben! Der
Mann befohl ihr abermals ſich zu packen;
Sie that es.

Jm Heruntergehn erkundigte ſie ſich bei ei-
nem Kellner: Wer der Herr ſei, der Numer
fuͤnfe wohne? — „Ein Fremder, der geſtern
aus Steiermark angekommen!“ — Mit viel
Gepaͤck? — „Nein, ohne Bedienten; mit
ein paar Mantelſaͤcken.“ — Dies gab keinen
Aufſchlus, weder fuͤr noch darwider. Aber
ein gewißer inrer Trieb ward immer ſtaͤrker in
ihr. — Sie ging grade zur Polizei und zeig-
te an: „Jener ausgeſtelte Erſchlagne habe
„vor einigen Wochen in dem oftbenannten Gaſt-
„hofe gewohnt, und ein paar Strumpfbaͤn-
„der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem
„Zimmer, eben dem Bette, ein Menſch mit
„hoͤchſt verdaͤchtigem Geſichte, und neben ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0258" n="250"/>
&#x017F;ie herkam, verkauft hatte. Bei die&#x017F;em An-<lb/>
blick &#x017F;tuzte &#x017F;ie. Unterm Vorwand, troz jenes<lb/>
Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em-<lb/>
pfehlen, trat &#x017F;ie ein paar Schritt na&#x0364;her; &#x017F;ah<lb/>
genauer auf die&#x017F;en Stuhl, und ward immer<lb/>
u&#x0364;berzeugter: es waren eben die&#x017F;elben! Der<lb/>
Mann befohl ihr abermals &#x017F;ich zu packen;<lb/>
Sie that es.</p><lb/>
          <p>Jm Heruntergehn erkundigte &#x017F;ie &#x017F;ich bei ei-<lb/>
nem Kellner: Wer der Herr &#x017F;ei, der Numer<lb/>
fu&#x0364;nfe wohne? &#x2014; &#x201E;Ein Fremder, der ge&#x017F;tern<lb/>
aus Steiermark angekommen!&#x201C; &#x2014; Mit viel<lb/>
Gepa&#x0364;ck? &#x2014; &#x201E;Nein, ohne Bedienten; mit<lb/>
ein paar Mantel&#x017F;a&#x0364;cken.&#x201C; &#x2014; Dies gab keinen<lb/>
Auf&#x017F;chlus, weder <hi rendition="#g">fu&#x0364;r</hi> noch <hi rendition="#g">darwider</hi>. Aber<lb/>
ein gewißer inrer Trieb ward immer &#x017F;ta&#x0364;rker in<lb/>
ihr. &#x2014; Sie ging grade zur Polizei und zeig-<lb/>
te an: &#x201E;Jener ausge&#x017F;telte Er&#x017F;chlagne habe<lb/>
&#x201E;vor einigen Wochen in dem oftbenannten Ga&#x017F;t-<lb/>
&#x201E;hofe gewohnt, und ein paar Strumpfba&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem<lb/>
&#x201E;Zimmer, eben dem Bette, ein Men&#x017F;ch mit<lb/>
&#x201E;ho&#x0364;ch&#x017F;t verda&#x0364;chtigem Ge&#x017F;ichte, und neben ihm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0258] ſie herkam, verkauft hatte. Bei dieſem An- blick ſtuzte ſie. Unterm Vorwand, troz jenes Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em- pfehlen, trat ſie ein paar Schritt naͤher; ſah genauer auf dieſen Stuhl, und ward immer uͤberzeugter: es waren eben dieſelben! Der Mann befohl ihr abermals ſich zu packen; Sie that es. Jm Heruntergehn erkundigte ſie ſich bei ei- nem Kellner: Wer der Herr ſei, der Numer fuͤnfe wohne? — „Ein Fremder, der geſtern aus Steiermark angekommen!“ — Mit viel Gepaͤck? — „Nein, ohne Bedienten; mit ein paar Mantelſaͤcken.“ — Dies gab keinen Aufſchlus, weder fuͤr noch darwider. Aber ein gewißer inrer Trieb ward immer ſtaͤrker in ihr. — Sie ging grade zur Polizei und zeig- te an: „Jener ausgeſtelte Erſchlagne habe „vor einigen Wochen in dem oftbenannten Gaſt- „hofe gewohnt, und ein paar Strumpfbaͤn- „der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem „Zimmer, eben dem Bette, ein Menſch mit „hoͤchſt verdaͤchtigem Geſichte, und neben ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/258
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/258>, abgerufen am 23.11.2024.