Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Einer von den übrigen dreien vermiethete sich
zu ihrem Mann. Mit Dietrichen zur Eröf-
nung aller Schlösser hinlänglich versehen, hat
er, so oft sich Gelegenheit fand, das Schrei-
bepult, und die übrigen Schränke, wo sein
Herr seine Einnahme zu verwahren pflegte,
eröfnet, gutes Gold herausgenommen, und
so viel unächtes dafür hingelegt. Auf diese
Weise, die ich freilich jezt für abscheulich er-
kenne, ist der arme du Moulin um Handlung,
Kredit und Freiheit gekommen; und würde
jezt sogar bald sein Leben eingebüßt haben,
wenn nicht die Strafgerichte des Himmels
meinen Mann und mich ergriffen hätten."

Nur mit größter Anstrengung und höchster
Gewissensunruhe vermochte die Kranke, oder
Sterbende vielmehr, diese Erzählung abzule-
gen. Jhre Kräfte waren nunmehr erschöpft.
Nachdem sie nur noch die Namen und den
Wohnort der beiden andern von ihr Beschul-
digten angegeben hatte, ward sie von Zuckun-
gen überfallen; ward sprachlos und verschied

Einer von den uͤbrigen dreien vermiethete ſich
zu ihrem Mann. Mit Dietrichen zur Eroͤf-
nung aller Schloͤſſer hinlaͤnglich verſehen, hat
er, ſo oft ſich Gelegenheit fand, das Schrei-
bepult, und die uͤbrigen Schraͤnke, wo ſein
Herr ſeine Einnahme zu verwahren pflegte,
eroͤfnet, gutes Gold herausgenommen, und
ſo viel unaͤchtes dafuͤr hingelegt. Auf dieſe
Weiſe, die ich freilich jezt fuͤr abſcheulich er-
kenne, iſt der arme du Moulin um Handlung,
Kredit und Freiheit gekommen; und wuͤrde
jezt ſogar bald ſein Leben eingebuͤßt haben,
wenn nicht die Strafgerichte des Himmels
meinen Mann und mich ergriffen haͤtten.“

Nur mit groͤßter Anſtrengung und hoͤchſter
Gewiſſensunruhe vermochte die Kranke, oder
Sterbende vielmehr, dieſe Erzaͤhlung abzule-
gen. Jhre Kraͤfte waren nunmehr erſchoͤpft.
Nachdem ſie nur noch die Namen und den
Wohnort der beiden andern von ihr Beſchul-
digten angegeben hatte, ward ſie von Zuckun-
gen uͤberfallen; ward ſprachlos und verſchied

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="186"/>
Einer von den u&#x0364;brigen dreien vermiethete &#x017F;ich<lb/>
zu ihrem Mann. Mit Dietrichen zur Ero&#x0364;f-<lb/>
nung aller Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er hinla&#x0364;nglich ver&#x017F;ehen, hat<lb/>
er, &#x017F;o oft &#x017F;ich Gelegenheit fand, das Schrei-<lb/>
bepult, und die u&#x0364;brigen Schra&#x0364;nke, wo &#x017F;ein<lb/>
Herr &#x017F;eine Einnahme zu verwahren pflegte,<lb/>
ero&#x0364;fnet, gutes Gold herausgenommen, und<lb/>
&#x017F;o viel una&#x0364;chtes dafu&#x0364;r hingelegt. Auf die&#x017F;e<lb/>
Wei&#x017F;e, die ich freilich jezt fu&#x0364;r ab&#x017F;cheulich er-<lb/>
kenne, i&#x017F;t der arme du Moulin um Handlung,<lb/>
Kredit und Freiheit gekommen; und wu&#x0364;rde<lb/>
jezt &#x017F;ogar bald &#x017F;ein Leben eingebu&#x0364;ßt haben,<lb/>
wenn nicht die Strafgerichte des Himmels<lb/>
meinen Mann und mich ergriffen ha&#x0364;tten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Nur mit gro&#x0364;ßter An&#x017F;trengung und ho&#x0364;ch&#x017F;ter<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ensunruhe vermochte die Kranke, oder<lb/>
Sterbende vielmehr, die&#x017F;e Erza&#x0364;hlung abzule-<lb/>
gen. Jhre Kra&#x0364;fte waren nunmehr er&#x017F;cho&#x0364;pft.<lb/>
Nachdem &#x017F;ie nur noch die Namen und den<lb/>
Wohnort der beiden andern von ihr Be&#x017F;chul-<lb/>
digten angegeben hatte, ward &#x017F;ie von Zuckun-<lb/>
gen u&#x0364;berfallen; ward &#x017F;prachlos und ver&#x017F;chied<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0194] Einer von den uͤbrigen dreien vermiethete ſich zu ihrem Mann. Mit Dietrichen zur Eroͤf- nung aller Schloͤſſer hinlaͤnglich verſehen, hat er, ſo oft ſich Gelegenheit fand, das Schrei- bepult, und die uͤbrigen Schraͤnke, wo ſein Herr ſeine Einnahme zu verwahren pflegte, eroͤfnet, gutes Gold herausgenommen, und ſo viel unaͤchtes dafuͤr hingelegt. Auf dieſe Weiſe, die ich freilich jezt fuͤr abſcheulich er- kenne, iſt der arme du Moulin um Handlung, Kredit und Freiheit gekommen; und wuͤrde jezt ſogar bald ſein Leben eingebuͤßt haben, wenn nicht die Strafgerichte des Himmels meinen Mann und mich ergriffen haͤtten.“ Nur mit groͤßter Anſtrengung und hoͤchſter Gewiſſensunruhe vermochte die Kranke, oder Sterbende vielmehr, dieſe Erzaͤhlung abzule- gen. Jhre Kraͤfte waren nunmehr erſchoͤpft. Nachdem ſie nur noch die Namen und den Wohnort der beiden andern von ihr Beſchul- digten angegeben hatte, ward ſie von Zuckun- gen uͤberfallen; ward ſprachlos und verſchied

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/194
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/194>, abgerufen am 23.11.2024.