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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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seine eigne erste Frau, (ein unschuldigesGeschö-
pfe, das ihn nie beleidigt, aber deren er bald
überdrüßig geworden) hatte sein eignes erstes
Kind auch das erste Opfer abgeben müssen.
Man schauderte bei diesem Geständnis zurück;
aber man wuste nicht, was man vollends von
der Ursache denken sollte, die er angab. Denn
der grausame Abergläubische hatte gehoft, nach
dem Genuß des neunten Herzens -- fliegen zu
können, wie ein Vogel.

So willig übrigens der Hundssattler war,
sich seiner Unthaten gleichsam zu rühmen, so
verschlossen war er in Angabe seiner Zunftge-
nossen. Man befragte ihn oft, ernstlich, und
mit Bedrohung abermaliger Folter nach den-
selben. Er blieb dabei: daß er weder ihre
eigentlichen Namen noch Wohnungen kenne;
sondern, daß er nur immer auf der Straße,
an bestimmten Tagen und Oertern sie getroffen
habe. Auch hätten sie ganz gewiß nun sämmt-
lich schon aus Teutschland, oder wenigstens aus
den nächstenKreisen sich weggeflüchtet; denn sie

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ſeine eigne erſte Frau, (ein unſchuldigesGeſchoͤ-
pfe, das ihn nie beleidigt, aber deren er bald
uͤberdruͤßig geworden) hatte ſein eignes erſtes
Kind auch das erſte Opfer abgeben muͤſſen.
Man ſchauderte bei dieſem Geſtaͤndnis zuruͤck;
aber man wuſte nicht, was man vollends von
der Urſache denken ſollte, die er angab. Denn
der grauſame Aberglaͤubiſche hatte gehoft, nach
dem Genuß des neunten Herzens — fliegen zu
koͤnnen, wie ein Vogel.

So willig uͤbrigens der Hundsſattler war,
ſich ſeiner Unthaten gleichſam zu ruͤhmen, ſo
verſchloſſen war er in Angabe ſeiner Zunftge-
noſſen. Man befragte ihn oft, ernſtlich, und
mit Bedrohung abermaliger Folter nach den-
ſelben. Er blieb dabei: daß er weder ihre
eigentlichen Namen noch Wohnungen kenne;
ſondern, daß er nur immer auf der Straße,
an beſtimmten Tagen und Oertern ſie getroffen
habe. Auch haͤtten ſie ganz gewiß nun ſaͤmmt-
lich ſchon aus Teutſchland, oder wenigſtens aus
den naͤchſtenKreiſen ſich weggefluͤchtet; denn ſie

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[163/0171] ſeine eigne erſte Frau, (ein unſchuldigesGeſchoͤ- pfe, das ihn nie beleidigt, aber deren er bald uͤberdruͤßig geworden) hatte ſein eignes erſtes Kind auch das erſte Opfer abgeben muͤſſen. Man ſchauderte bei dieſem Geſtaͤndnis zuruͤck; aber man wuſte nicht, was man vollends von der Urſache denken ſollte, die er angab. Denn der grauſame Aberglaͤubiſche hatte gehoft, nach dem Genuß des neunten Herzens — fliegen zu koͤnnen, wie ein Vogel. So willig uͤbrigens der Hundsſattler war, ſich ſeiner Unthaten gleichſam zu ruͤhmen, ſo verſchloſſen war er in Angabe ſeiner Zunftge- noſſen. Man befragte ihn oft, ernſtlich, und mit Bedrohung abermaliger Folter nach den- ſelben. Er blieb dabei: daß er weder ihre eigentlichen Namen noch Wohnungen kenne; ſondern, daß er nur immer auf der Straße, an beſtimmten Tagen und Oertern ſie getroffen habe. Auch haͤtten ſie ganz gewiß nun ſaͤmmt- lich ſchon aus Teutſchland, oder wenigſtens aus den naͤchſtenKreiſen ſich weggefluͤchtet; denn ſie L 2

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/171>, abgerufen am 23.11.2024.