Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der churfürstliche Commisarius sich zu dem Gerichtshofe wandte: Meine Herren, was sagen Sie dazu? Ein entsetzlicher Mensch! murmelte der Vorsitzende. An dem wahrlich, sagte der Commissarius, wäre Gnade übel verschwendet. Es ist eine Wohlthat fürs Allgemeine, wenn ein Mensch von solchen Grundsätzen umkommt! Man wird es bei dem gefällten Urtheil belassen. Diese Ansicht des Regierungscommissarius fand allgemeine Billigung, und es war von diesem Augenblicke an von Begnadigung keine Rede mehr. XIV. Reinbacher war in sein voriges Gefängniß zurückgebracht worden. Er setzte sich dort auf die Steinbank und blieb im Nachdenken verloren. Das Mittagsmahl, das der Kerkermeister ihm brachte, ließ er unberührt. Da öffnete sich die Thür abermals, eine Gerichtsperson trat ein und kündigte ihm an, daß er sich morgen mit dem Frühesten zu seinem letzten Gange bereit zu halten habe. Er nahm diese Eröffnung gefaßt entgegen und bat sich nur als letzte Gunst vor seinem Ende ein Wiedersehen mit Wendelin aus. der churfürstliche Commisarius sich zu dem Gerichtshofe wandte: Meine Herren, was sagen Sie dazu? Ein entsetzlicher Mensch! murmelte der Vorsitzende. An dem wahrlich, sagte der Commissarius, wäre Gnade übel verschwendet. Es ist eine Wohlthat fürs Allgemeine, wenn ein Mensch von solchen Grundsätzen umkommt! Man wird es bei dem gefällten Urtheil belassen. Diese Ansicht des Regierungscommissarius fand allgemeine Billigung, und es war von diesem Augenblicke an von Begnadigung keine Rede mehr. XIV. Reinbacher war in sein voriges Gefängniß zurückgebracht worden. Er setzte sich dort auf die Steinbank und blieb im Nachdenken verloren. Das Mittagsmahl, das der Kerkermeister ihm brachte, ließ er unberührt. Da öffnete sich die Thür abermals, eine Gerichtsperson trat ein und kündigte ihm an, daß er sich morgen mit dem Frühesten zu seinem letzten Gange bereit zu halten habe. Er nahm diese Eröffnung gefaßt entgegen und bat sich nur als letzte Gunst vor seinem Ende ein Wiedersehen mit Wendelin aus. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="13"> <p><pb facs="#f0096"/> der churfürstliche Commisarius sich zu dem Gerichtshofe wandte: Meine Herren, was sagen Sie dazu?</p><lb/> <p>Ein entsetzlicher Mensch! murmelte der Vorsitzende.</p><lb/> <p>An dem wahrlich, sagte der Commissarius, wäre Gnade übel verschwendet. Es ist eine Wohlthat fürs Allgemeine, wenn ein Mensch von solchen Grundsätzen umkommt! Man wird es bei dem gefällten Urtheil belassen.</p><lb/> <p>Diese Ansicht des Regierungscommissarius fand allgemeine Billigung, und es war von diesem Augenblicke an von Begnadigung keine Rede mehr.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="14"> <head>XIV.</head> <p>Reinbacher war in sein voriges Gefängniß zurückgebracht worden. Er setzte sich dort auf die Steinbank und blieb im Nachdenken verloren. Das Mittagsmahl, das der Kerkermeister ihm brachte, ließ er unberührt.</p><lb/> <p>Da öffnete sich die Thür abermals, eine Gerichtsperson trat ein und kündigte ihm an, daß er sich morgen mit dem Frühesten zu seinem letzten Gange bereit zu halten habe. Er nahm diese Eröffnung gefaßt entgegen und bat sich nur als letzte Gunst vor seinem Ende ein Wiedersehen mit Wendelin aus.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
der churfürstliche Commisarius sich zu dem Gerichtshofe wandte: Meine Herren, was sagen Sie dazu?
Ein entsetzlicher Mensch! murmelte der Vorsitzende.
An dem wahrlich, sagte der Commissarius, wäre Gnade übel verschwendet. Es ist eine Wohlthat fürs Allgemeine, wenn ein Mensch von solchen Grundsätzen umkommt! Man wird es bei dem gefällten Urtheil belassen.
Diese Ansicht des Regierungscommissarius fand allgemeine Billigung, und es war von diesem Augenblicke an von Begnadigung keine Rede mehr.
XIV. Reinbacher war in sein voriges Gefängniß zurückgebracht worden. Er setzte sich dort auf die Steinbank und blieb im Nachdenken verloren. Das Mittagsmahl, das der Kerkermeister ihm brachte, ließ er unberührt.
Da öffnete sich die Thür abermals, eine Gerichtsperson trat ein und kündigte ihm an, daß er sich morgen mit dem Frühesten zu seinem letzten Gange bereit zu halten habe. Er nahm diese Eröffnung gefaßt entgegen und bat sich nur als letzte Gunst vor seinem Ende ein Wiedersehen mit Wendelin aus.
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/96>, abgerufen am 16.02.2025. |