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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zwingen. Drei dieser Verblendeten habe ich gerettet, und wenn ich sehe, wie ihr heute wider mich verfahrt, da kann ich mich nur freuen, daß ich sie euerer Justiz entzogen. Wohl muß ein Gesetz sein in dieser Welt, von Menschen geschrieben, aber es darf dem Gesetze, das wir, wofern wir nicht ganz verdorben und verhärtet sind, lebendig in uns tragen, nicht zu grell widersprechen. Ihr wisset nichts davon. Ihr richtet nach dem todten Buchstaben, schreibt und schreibt, und richtet endlich, ohne Herz, ohne Einsicht und ohne Gefühl des Menschlichen, so wie todte Maschinen. Glaubt, ihr Herren, das wird nicht ewig so dauern. Eine Zeit wird kommen, wo man nicht mehr richten wird hinter düsteren Mauern, wo Niemand zugegen ist, als der Richter selbst, eine Zeit, wo man nicht mehr Geständnisse erpressen wird durch Qual der Tortur, eine Zeit, wo Leiter und Daumschrauben Nichts mehr gelten werden und das Rad nicht mehr sein wird! Da werden die Menschen richten nach dem Gesetze, das in ihren Gemüthern lebendig lebt. Und nun, ihr Herren, thut mit mir, was ihr wollt. Ich, der durch euch um Alles gebracht wurde, erbitte mir Nichts von euch. Ich wünsche, daß Jeder von euch seiner Sterbestunde so ruhig entgegensehen möge, wie ich der meinigen.

Der Rede des Reinbacher's folgte eine lange Pause. Nun wandte er sich kurz um und trat unter die Wachen.

Sein Schritt war kaum im Corridor verhallt, als

zwingen. Drei dieser Verblendeten habe ich gerettet, und wenn ich sehe, wie ihr heute wider mich verfahrt, da kann ich mich nur freuen, daß ich sie euerer Justiz entzogen. Wohl muß ein Gesetz sein in dieser Welt, von Menschen geschrieben, aber es darf dem Gesetze, das wir, wofern wir nicht ganz verdorben und verhärtet sind, lebendig in uns tragen, nicht zu grell widersprechen. Ihr wisset nichts davon. Ihr richtet nach dem todten Buchstaben, schreibt und schreibt, und richtet endlich, ohne Herz, ohne Einsicht und ohne Gefühl des Menschlichen, so wie todte Maschinen. Glaubt, ihr Herren, das wird nicht ewig so dauern. Eine Zeit wird kommen, wo man nicht mehr richten wird hinter düsteren Mauern, wo Niemand zugegen ist, als der Richter selbst, eine Zeit, wo man nicht mehr Geständnisse erpressen wird durch Qual der Tortur, eine Zeit, wo Leiter und Daumschrauben Nichts mehr gelten werden und das Rad nicht mehr sein wird! Da werden die Menschen richten nach dem Gesetze, das in ihren Gemüthern lebendig lebt. Und nun, ihr Herren, thut mit mir, was ihr wollt. Ich, der durch euch um Alles gebracht wurde, erbitte mir Nichts von euch. Ich wünsche, daß Jeder von euch seiner Sterbestunde so ruhig entgegensehen möge, wie ich der meinigen.

Der Rede des Reinbacher's folgte eine lange Pause. Nun wandte er sich kurz um und trat unter die Wachen.

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[0095] zwingen. Drei dieser Verblendeten habe ich gerettet, und wenn ich sehe, wie ihr heute wider mich verfahrt, da kann ich mich nur freuen, daß ich sie euerer Justiz entzogen. Wohl muß ein Gesetz sein in dieser Welt, von Menschen geschrieben, aber es darf dem Gesetze, das wir, wofern wir nicht ganz verdorben und verhärtet sind, lebendig in uns tragen, nicht zu grell widersprechen. Ihr wisset nichts davon. Ihr richtet nach dem todten Buchstaben, schreibt und schreibt, und richtet endlich, ohne Herz, ohne Einsicht und ohne Gefühl des Menschlichen, so wie todte Maschinen. Glaubt, ihr Herren, das wird nicht ewig so dauern. Eine Zeit wird kommen, wo man nicht mehr richten wird hinter düsteren Mauern, wo Niemand zugegen ist, als der Richter selbst, eine Zeit, wo man nicht mehr Geständnisse erpressen wird durch Qual der Tortur, eine Zeit, wo Leiter und Daumschrauben Nichts mehr gelten werden und das Rad nicht mehr sein wird! Da werden die Menschen richten nach dem Gesetze, das in ihren Gemüthern lebendig lebt. Und nun, ihr Herren, thut mit mir, was ihr wollt. Ich, der durch euch um Alles gebracht wurde, erbitte mir Nichts von euch. Ich wünsche, daß Jeder von euch seiner Sterbestunde so ruhig entgegensehen möge, wie ich der meinigen. Der Rede des Reinbacher's folgte eine lange Pause. Nun wandte er sich kurz um und trat unter die Wachen. Sein Schritt war kaum im Corridor verhallt, als

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:41:19Z)

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/95>, abgerufen am 24.11.2024.