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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sitzende unterbrechen, Der und Jener hätte ihn gerne gewarnt, er aber sagte:

Lastet mich aussprechen, Herr, ja, schreibt, wenn Ihr wollt, Alles auf, was ich sage. Es möge nicht heißen, daß ich einen schändlichen Tod erlitten, ohne daß mir zuletzt ein Wort der Vertheidigung vergönnt gewesen. Ich hebe von da an, wo ich aufgehört habe.

Als die Hand meines lieben Wendelin mich befreite, weigerte ich mich, meine Freiheit anzunehmen, und bat Diejenigen, die mich umstanden, sich nicht so großer Gefahr auszusetzen und mein eigenes Unglück zu vergrößern. Aber alle Menschen handeln nicht immer so, wie es am Klügsten wäre, um dem Schaden auszuweichen und ihr Leben zu wahren. Ihr Herren thut es vielleicht. Die Menge war erhitzt und wie berauscht und wollte meine mahnende Stimme nicht hören. Da erhielt ich einen Schuß in die Schulter, ich ward vor Blutverlust ohnmächtig und sah mich, als ich erwachte, wieder in meinem Hause. Nach euerer Ansicht wäre es ziemlicher gewesen, wenn meine Knappen ihren verwundeten Herrn dem Gerichte ausgeliefert hätten; aber seht nur, die Burschen hätten das für eine Schandthat gehalten, ihr Gefühl sträubte sich dagegen, und den guten, thörichten Burschen erschien der Kampf gegen die Gewalt als etwas Ausführbares. Sie wollten mir Zeit verschaffen, von meiner Wunde zu genesen und zu entfliehen; Manche glaubten auch, sie könnten euch mit bewaffneter Hand zum Frieden

sitzende unterbrechen, Der und Jener hätte ihn gerne gewarnt, er aber sagte:

Lastet mich aussprechen, Herr, ja, schreibt, wenn Ihr wollt, Alles auf, was ich sage. Es möge nicht heißen, daß ich einen schändlichen Tod erlitten, ohne daß mir zuletzt ein Wort der Vertheidigung vergönnt gewesen. Ich hebe von da an, wo ich aufgehört habe.

Als die Hand meines lieben Wendelin mich befreite, weigerte ich mich, meine Freiheit anzunehmen, und bat Diejenigen, die mich umstanden, sich nicht so großer Gefahr auszusetzen und mein eigenes Unglück zu vergrößern. Aber alle Menschen handeln nicht immer so, wie es am Klügsten wäre, um dem Schaden auszuweichen und ihr Leben zu wahren. Ihr Herren thut es vielleicht. Die Menge war erhitzt und wie berauscht und wollte meine mahnende Stimme nicht hören. Da erhielt ich einen Schuß in die Schulter, ich ward vor Blutverlust ohnmächtig und sah mich, als ich erwachte, wieder in meinem Hause. Nach euerer Ansicht wäre es ziemlicher gewesen, wenn meine Knappen ihren verwundeten Herrn dem Gerichte ausgeliefert hätten; aber seht nur, die Burschen hätten das für eine Schandthat gehalten, ihr Gefühl sträubte sich dagegen, und den guten, thörichten Burschen erschien der Kampf gegen die Gewalt als etwas Ausführbares. Sie wollten mir Zeit verschaffen, von meiner Wunde zu genesen und zu entfliehen; Manche glaubten auch, sie könnten euch mit bewaffneter Hand zum Frieden

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/94>, abgerufen am 21.11.2024.