Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gerechter Gott! schrie der Müller. Mord und Brand in meinem Hause! Wendelin getroffen und mein Haus in Flammen! Die Mühle am Höft, sagte der Anführer der Soldatesca, hat es längst schon verdient, fortzukommen. Doch -- wer hat das gethan? Du! rief der Müller und wies mit der Hand, die mit der Handschelle bereits belastet war, auf die wildaussehende zerlumpte Gestalt eines Menschen, der grinsend durchs Fenster hereinschaute. -- Es war der Schellenkaspar. Reißt die Holzschuppen nieder, daß das Feuer nicht weiter greift! herrschte der Anführer seinen Leuten zu. Und Ihr, Reinbacher, vorwärts! Alles drängle sich zur Thür hinaus und blieb vor dem Anblick des Feuers wie gefesselt stehen. In wenig Minuten stand die ganze, aus Sparrwerk erbaute Sägemühle in lichten Flammen. Anfangs wehte der Wind gegen die Uferseite, bald aber drehte er sich vollständig um und wendete die Flammen gegen das Hauptgebäude. Damit war das Loos der Mühle entschieden. In wenigen Minuten bildeten Haus und Nebengebäude ein zusammenhängendes Feuermeer. Mit Donnergekrach stürzte das Gebälk ein, theils aufs Land, theils ins Wasser, daß es hoch emporzischte. Trümmer desselben trieben theils rothglühend, theils in hellen Flammen den Strom hinab, bis sie allmählich verloschen. Gerechter Gott! schrie der Müller. Mord und Brand in meinem Hause! Wendelin getroffen und mein Haus in Flammen! Die Mühle am Höft, sagte der Anführer der Soldatesca, hat es längst schon verdient, fortzukommen. Doch — wer hat das gethan? Du! rief der Müller und wies mit der Hand, die mit der Handschelle bereits belastet war, auf die wildaussehende zerlumpte Gestalt eines Menschen, der grinsend durchs Fenster hereinschaute. — Es war der Schellenkaspar. Reißt die Holzschuppen nieder, daß das Feuer nicht weiter greift! herrschte der Anführer seinen Leuten zu. Und Ihr, Reinbacher, vorwärts! Alles drängle sich zur Thür hinaus und blieb vor dem Anblick des Feuers wie gefesselt stehen. In wenig Minuten stand die ganze, aus Sparrwerk erbaute Sägemühle in lichten Flammen. Anfangs wehte der Wind gegen die Uferseite, bald aber drehte er sich vollständig um und wendete die Flammen gegen das Hauptgebäude. Damit war das Loos der Mühle entschieden. In wenigen Minuten bildeten Haus und Nebengebäude ein zusammenhängendes Feuermeer. Mit Donnergekrach stürzte das Gebälk ein, theils aufs Land, theils ins Wasser, daß es hoch emporzischte. Trümmer desselben trieben theils rothglühend, theils in hellen Flammen den Strom hinab, bis sie allmählich verloschen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <pb facs="#f0081"/> <p>Gerechter Gott! schrie der Müller. Mord und Brand in meinem Hause! Wendelin getroffen und mein Haus in Flammen!</p><lb/> <p>Die Mühle am Höft, sagte der Anführer der Soldatesca, hat es längst schon verdient, fortzukommen. Doch — wer hat das gethan?</p><lb/> <p>Du! rief der Müller und wies mit der Hand, die mit der Handschelle bereits belastet war, auf die wildaussehende zerlumpte Gestalt eines Menschen, der grinsend durchs Fenster hereinschaute. — Es war der Schellenkaspar.</p><lb/> <p>Reißt die Holzschuppen nieder, daß das Feuer nicht weiter greift! herrschte der Anführer seinen Leuten zu. Und Ihr, Reinbacher, vorwärts!</p><lb/> <p>Alles drängle sich zur Thür hinaus und blieb vor dem Anblick des Feuers wie gefesselt stehen. In wenig Minuten stand die ganze, aus Sparrwerk erbaute Sägemühle in lichten Flammen. Anfangs wehte der Wind gegen die Uferseite, bald aber drehte er sich vollständig um und wendete die Flammen gegen das Hauptgebäude. Damit war das Loos der Mühle entschieden. In wenigen Minuten bildeten Haus und Nebengebäude ein zusammenhängendes Feuermeer. Mit Donnergekrach stürzte das Gebälk ein, theils aufs Land, theils ins Wasser, daß es hoch emporzischte. Trümmer desselben trieben theils rothglühend, theils in hellen Flammen den Strom hinab, bis sie allmählich verloschen. </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
Gerechter Gott! schrie der Müller. Mord und Brand in meinem Hause! Wendelin getroffen und mein Haus in Flammen!
Die Mühle am Höft, sagte der Anführer der Soldatesca, hat es längst schon verdient, fortzukommen. Doch — wer hat das gethan?
Du! rief der Müller und wies mit der Hand, die mit der Handschelle bereits belastet war, auf die wildaussehende zerlumpte Gestalt eines Menschen, der grinsend durchs Fenster hereinschaute. — Es war der Schellenkaspar.
Reißt die Holzschuppen nieder, daß das Feuer nicht weiter greift! herrschte der Anführer seinen Leuten zu. Und Ihr, Reinbacher, vorwärts!
Alles drängle sich zur Thür hinaus und blieb vor dem Anblick des Feuers wie gefesselt stehen. In wenig Minuten stand die ganze, aus Sparrwerk erbaute Sägemühle in lichten Flammen. Anfangs wehte der Wind gegen die Uferseite, bald aber drehte er sich vollständig um und wendete die Flammen gegen das Hauptgebäude. Damit war das Loos der Mühle entschieden. In wenigen Minuten bildeten Haus und Nebengebäude ein zusammenhängendes Feuermeer. Mit Donnergekrach stürzte das Gebälk ein, theils aufs Land, theils ins Wasser, daß es hoch emporzischte. Trümmer desselben trieben theils rothglühend, theils in hellen Flammen den Strom hinab, bis sie allmählich verloschen.
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/81>, abgerufen am 16.02.2025. |