Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ja, das sind sie! Was? fiel der Bürgermeister ein. So hat der Schuster Recht? Sprecht, redet! Ihr kennt die Stiefel. Gott weiß, ich glaubte, der Mensch irrt sich. Es sind meine Stiefel! sagte der Müller. Balbus richtete sich auf. Reinbacher, sagte er, indem sich sein ganzes Gesicht mit Purpurröthe übergoß, Ihr geltet im ganzen Lande für einen braven Mann -- seid Ihr gar in die Geschichte involvirt? -- Gesteht Alles -- läugnet Nichts -- es hilft Nichts -- wir kommen hinter Alles. Der Müller, in strammer Haltung, antwortete mit fester Stimme: Ich komme nicht, um zu läugnen. Was ich gethan, war recht vor Gott, und so wird es wohl auch recht vor den Menschen sein. Ich habe den Gehenkten abgeschnitten. -- Ihr habt den Gehenkten abgeschnitten? rief der Bürgermeister. Ihr, ein so kluger Mann? Zu welchem Unfuge habt Ihr Euch hergegeben? Der Müller antwortete: Es geschehe mir, was mir geschehen kann. Ich will mich nicht durchwinden, will mich nicht durchstehlen, ich bin ein redlicher Mann. Hört es, ich erkläre es feierlich: ich habe den elenden Mörder da abgeschnitten, todtgeschlagen und wieder aufgehängt. Ihr? rief Balbus. O Graus! o Schrecken! Und zu welchem Zwecke? Todtgeschlagen? Ihr redet irre. Ja, das sind sie! Was? fiel der Bürgermeister ein. So hat der Schuster Recht? Sprecht, redet! Ihr kennt die Stiefel. Gott weiß, ich glaubte, der Mensch irrt sich. Es sind meine Stiefel! sagte der Müller. Balbus richtete sich auf. Reinbacher, sagte er, indem sich sein ganzes Gesicht mit Purpurröthe übergoß, Ihr geltet im ganzen Lande für einen braven Mann — seid Ihr gar in die Geschichte involvirt? — Gesteht Alles — läugnet Nichts — es hilft Nichts — wir kommen hinter Alles. Der Müller, in strammer Haltung, antwortete mit fester Stimme: Ich komme nicht, um zu läugnen. Was ich gethan, war recht vor Gott, und so wird es wohl auch recht vor den Menschen sein. Ich habe den Gehenkten abgeschnitten. — Ihr habt den Gehenkten abgeschnitten? rief der Bürgermeister. Ihr, ein so kluger Mann? Zu welchem Unfuge habt Ihr Euch hergegeben? Der Müller antwortete: Es geschehe mir, was mir geschehen kann. Ich will mich nicht durchwinden, will mich nicht durchstehlen, ich bin ein redlicher Mann. Hört es, ich erkläre es feierlich: ich habe den elenden Mörder da abgeschnitten, todtgeschlagen und wieder aufgehängt. Ihr? rief Balbus. O Graus! o Schrecken! Und zu welchem Zwecke? Todtgeschlagen? Ihr redet irre. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <pb facs="#f0055"/> <p>Ja, das sind sie!</p><lb/> <p>Was? fiel der Bürgermeister ein. So hat der Schuster Recht? Sprecht, redet! Ihr kennt die Stiefel.</p><lb/> <p> Gott weiß, ich glaubte, der Mensch irrt sich.</p><lb/> <p>Es sind meine Stiefel! sagte der Müller.</p><lb/> <p>Balbus richtete sich auf. Reinbacher, sagte er, indem sich sein ganzes Gesicht mit Purpurröthe übergoß, Ihr geltet im ganzen Lande für einen braven Mann — seid Ihr gar in die Geschichte involvirt? — Gesteht Alles — läugnet Nichts — es hilft Nichts — wir kommen hinter Alles.</p><lb/> <p>Der Müller, in strammer Haltung, antwortete mit fester Stimme: Ich komme nicht, um zu läugnen. Was ich gethan, war recht vor Gott, und so wird es wohl auch recht vor den Menschen sein. Ich habe den Gehenkten abgeschnitten. —</p><lb/> <p>Ihr habt den Gehenkten abgeschnitten? rief der Bürgermeister. Ihr, ein so kluger Mann? Zu welchem Unfuge habt Ihr Euch hergegeben?</p><lb/> <p>Der Müller antwortete:</p><lb/> <p>Es geschehe mir, was mir geschehen kann. Ich will mich nicht durchwinden, will mich nicht durchstehlen, ich bin ein redlicher Mann. Hört es, ich erkläre es feierlich: ich habe den elenden Mörder da abgeschnitten, todtgeschlagen und wieder aufgehängt.</p><lb/> <p>Ihr? rief Balbus. O Graus! o Schrecken! Und zu welchem Zwecke? Todtgeschlagen? Ihr redet irre.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Ja, das sind sie!
Was? fiel der Bürgermeister ein. So hat der Schuster Recht? Sprecht, redet! Ihr kennt die Stiefel.
Gott weiß, ich glaubte, der Mensch irrt sich.
Es sind meine Stiefel! sagte der Müller.
Balbus richtete sich auf. Reinbacher, sagte er, indem sich sein ganzes Gesicht mit Purpurröthe übergoß, Ihr geltet im ganzen Lande für einen braven Mann — seid Ihr gar in die Geschichte involvirt? — Gesteht Alles — läugnet Nichts — es hilft Nichts — wir kommen hinter Alles.
Der Müller, in strammer Haltung, antwortete mit fester Stimme: Ich komme nicht, um zu läugnen. Was ich gethan, war recht vor Gott, und so wird es wohl auch recht vor den Menschen sein. Ich habe den Gehenkten abgeschnitten. —
Ihr habt den Gehenkten abgeschnitten? rief der Bürgermeister. Ihr, ein so kluger Mann? Zu welchem Unfuge habt Ihr Euch hergegeben?
Der Müller antwortete:
Es geschehe mir, was mir geschehen kann. Ich will mich nicht durchwinden, will mich nicht durchstehlen, ich bin ein redlicher Mann. Hört es, ich erkläre es feierlich: ich habe den elenden Mörder da abgeschnitten, todtgeschlagen und wieder aufgehängt.
Ihr? rief Balbus. O Graus! o Schrecken! Und zu welchem Zwecke? Todtgeschlagen? Ihr redet irre.
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/55>, abgerufen am 16.02.2025. |