Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Mische dich nicht darein! sagte er. Dann fragte er wieder den Gerichtsdiener: Was wollt Ihr denn bei mir? Lieber Herr Gevatter, war die Antwort, der Herr Bürgermeister hat den Befehl gegeben, daß wir Euch auf das Amt bringen, damit Ihr Euch verantwortet -- oder -- was sage ich, verantworten? was kann's für einen Spectakel eines todten Lumpen wegen geben? -- damit Ihr es aufklärt, ob die Stiefel Euch gehören, oder nicht! Wendelin war außer sich, in starrer Verzweiflung. Sei kein Narr, redete ihn der Müller an. Besorge die Rechnungen. Ich will aufs Amt inzwischen. Der Müller nahm Rock und Hut und wollte gehen. Da faßte Wendelin schmerzlich seine Hand, küßte sie und fragte leise und schmerzlich: Kommt Ihr wieder? Der Müller lächelte seltsam, antwortete: Besorge die Rechnungen, und verließ, Wendelin trostlos zurücklassend, mit Süpple die Stube. Kaum war der Verhaftete auf das Rathhaus gebracht, so wurde er schon vor den Bürgermeister geführt. Das Erste, was dem Müller in der Amtsstube in die Augen fiel, waren die Wasserstiefel, die an der Mauer standen. Dieser Anblick brach die bisherige düstere, ernste Ruhe seines Gemüthes. Er that den Ausruf: Mische dich nicht darein! sagte er. Dann fragte er wieder den Gerichtsdiener: Was wollt Ihr denn bei mir? Lieber Herr Gevatter, war die Antwort, der Herr Bürgermeister hat den Befehl gegeben, daß wir Euch auf das Amt bringen, damit Ihr Euch verantwortet — oder — was sage ich, verantworten? was kann's für einen Spectakel eines todten Lumpen wegen geben? — damit Ihr es aufklärt, ob die Stiefel Euch gehören, oder nicht! Wendelin war außer sich, in starrer Verzweiflung. Sei kein Narr, redete ihn der Müller an. Besorge die Rechnungen. Ich will aufs Amt inzwischen. Der Müller nahm Rock und Hut und wollte gehen. Da faßte Wendelin schmerzlich seine Hand, küßte sie und fragte leise und schmerzlich: Kommt Ihr wieder? Der Müller lächelte seltsam, antwortete: Besorge die Rechnungen, und verließ, Wendelin trostlos zurücklassend, mit Süpple die Stube. Kaum war der Verhaftete auf das Rathhaus gebracht, so wurde er schon vor den Bürgermeister geführt. Das Erste, was dem Müller in der Amtsstube in die Augen fiel, waren die Wasserstiefel, die an der Mauer standen. Dieser Anblick brach die bisherige düstere, ernste Ruhe seines Gemüthes. Er that den Ausruf: <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <pb facs="#f0054"/> <p>Mische dich nicht darein! sagte er. Dann fragte er wieder den Gerichtsdiener: Was wollt Ihr denn bei mir?</p><lb/> <p>Lieber Herr Gevatter, war die Antwort, der Herr Bürgermeister hat den Befehl gegeben, daß wir Euch auf das Amt bringen, damit Ihr Euch verantwortet — oder — was sage ich, verantworten? was kann's für einen Spectakel eines todten Lumpen wegen geben? — damit Ihr es aufklärt, ob die Stiefel Euch gehören, oder nicht!</p><lb/> <p>Wendelin war außer sich, in starrer Verzweiflung.</p><lb/> <p>Sei kein Narr, redete ihn der Müller an. Besorge die Rechnungen. Ich will aufs Amt inzwischen.</p><lb/> <p>Der Müller nahm Rock und Hut und wollte gehen. Da faßte Wendelin schmerzlich seine Hand, küßte sie und fragte leise und schmerzlich: Kommt Ihr wieder?</p><lb/> <p>Der Müller lächelte seltsam, antwortete: Besorge die Rechnungen, und verließ, Wendelin trostlos zurücklassend, mit Süpple die Stube.</p><lb/> <p>Kaum war der Verhaftete auf das Rathhaus gebracht, so wurde er schon vor den Bürgermeister geführt.</p><lb/> <p>Das Erste, was dem Müller in der Amtsstube in die Augen fiel, waren die Wasserstiefel, die an der Mauer standen. Dieser Anblick brach die bisherige düstere, ernste Ruhe seines Gemüthes. Er that den Ausruf: </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
Mische dich nicht darein! sagte er. Dann fragte er wieder den Gerichtsdiener: Was wollt Ihr denn bei mir?
Lieber Herr Gevatter, war die Antwort, der Herr Bürgermeister hat den Befehl gegeben, daß wir Euch auf das Amt bringen, damit Ihr Euch verantwortet — oder — was sage ich, verantworten? was kann's für einen Spectakel eines todten Lumpen wegen geben? — damit Ihr es aufklärt, ob die Stiefel Euch gehören, oder nicht!
Wendelin war außer sich, in starrer Verzweiflung.
Sei kein Narr, redete ihn der Müller an. Besorge die Rechnungen. Ich will aufs Amt inzwischen.
Der Müller nahm Rock und Hut und wollte gehen. Da faßte Wendelin schmerzlich seine Hand, küßte sie und fragte leise und schmerzlich: Kommt Ihr wieder?
Der Müller lächelte seltsam, antwortete: Besorge die Rechnungen, und verließ, Wendelin trostlos zurücklassend, mit Süpple die Stube.
Kaum war der Verhaftete auf das Rathhaus gebracht, so wurde er schon vor den Bürgermeister geführt.
Das Erste, was dem Müller in der Amtsstube in die Augen fiel, waren die Wasserstiefel, die an der Mauer standen. Dieser Anblick brach die bisherige düstere, ernste Ruhe seines Gemüthes. Er that den Ausruf:
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(2017-03-15T14:41:19Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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