Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Ach, Wendelin, versetzte der Müller, du gehst zu. weit. Einiges Bedenken muß man Jedermann verstatten, wenn man in sein Leben eingreift, und wo es die ganze Zukunft und Alles gilt. Er ist ein ganz fügsamer Geselle. Du warst kaum zur Thür hinaus, da ward er folgsam, wie ein Kind. Er sah ein, wie gut ich es mit ihm meine, und fügte sich in Alles. Morgen laß die Pferde stehen. Abends heißt's, den langen Weg nach Bremen machen.

Nun Gottlob, daß er aus dem Hause kommt! rief Wendelin. Ich werde nicht ruhig sein, bis ich weiß, daß er fort ist sammt dem Schiff.

Schlag' dir die mißtrauischen Gedanken aus dem Kopfe, schloß der Müller, und gehen wir heute früher zu Bett. Morgen wird die ganze Nacht gefahren.

Der Müller ging in seine Schlafkammer, Wendelin leuchtete.

Ist das einmal wieder eine stürmische Nacht! sagte dieser zum Fenster flüchtig hinaussehend. Kein Stern am Himmel, und der Wind pfeift entsetzlich. Schlaft wohl, Meister, schlaft wohl!

Ein trefflicher Bursche, dachte Reinbacher, indem Wendelin aus dem Zimmer trat.

Ueber dem Land und der einsam stehenden Mühle lag die Nacht. Nur die Wasser rauschten, die Räder gingen ruhig arbeitend weiter, und der Wind ließ von Zeit zu Zeit seine eintönige Klage vernehmen. Dem Müller gingen, ehe er einschlief, manche Gedanken

Ach, Wendelin, versetzte der Müller, du gehst zu. weit. Einiges Bedenken muß man Jedermann verstatten, wenn man in sein Leben eingreift, und wo es die ganze Zukunft und Alles gilt. Er ist ein ganz fügsamer Geselle. Du warst kaum zur Thür hinaus, da ward er folgsam, wie ein Kind. Er sah ein, wie gut ich es mit ihm meine, und fügte sich in Alles. Morgen laß die Pferde stehen. Abends heißt's, den langen Weg nach Bremen machen.

Nun Gottlob, daß er aus dem Hause kommt! rief Wendelin. Ich werde nicht ruhig sein, bis ich weiß, daß er fort ist sammt dem Schiff.

Schlag' dir die mißtrauischen Gedanken aus dem Kopfe, schloß der Müller, und gehen wir heute früher zu Bett. Morgen wird die ganze Nacht gefahren.

Der Müller ging in seine Schlafkammer, Wendelin leuchtete.

Ist das einmal wieder eine stürmische Nacht! sagte dieser zum Fenster flüchtig hinaussehend. Kein Stern am Himmel, und der Wind pfeift entsetzlich. Schlaft wohl, Meister, schlaft wohl!

Ein trefflicher Bursche, dachte Reinbacher, indem Wendelin aus dem Zimmer trat.

Ueber dem Land und der einsam stehenden Mühle lag die Nacht. Nur die Wasser rauschten, die Räder gingen ruhig arbeitend weiter, und der Wind ließ von Zeit zu Zeit seine eintönige Klage vernehmen. Dem Müller gingen, ehe er einschlief, manche Gedanken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <pb facs="#f0036"/>
        <p>Ach, Wendelin, versetzte der Müller, du gehst zu. weit. Einiges Bedenken muß man                Jedermann verstatten, wenn man in sein Leben eingreift, und wo es die ganze Zukunft                und Alles gilt. Er ist ein ganz fügsamer Geselle. Du warst kaum zur Thür hinaus, da                ward er folgsam, wie ein Kind. Er sah ein, wie gut ich es mit ihm meine, und fügte                sich in Alles. Morgen laß die Pferde stehen. Abends heißt's, den langen Weg nach                Bremen machen.</p><lb/>
        <p>Nun Gottlob, daß er aus dem Hause kommt! rief Wendelin. Ich werde nicht ruhig sein,                bis ich weiß, daß er fort ist sammt dem Schiff.</p><lb/>
        <p>Schlag' dir die mißtrauischen Gedanken aus dem Kopfe, schloß der Müller, und gehen                wir heute früher zu Bett. Morgen wird die ganze Nacht gefahren.</p><lb/>
        <p>Der Müller ging in seine Schlafkammer, Wendelin leuchtete.</p><lb/>
        <p>Ist das einmal wieder eine stürmische Nacht! sagte dieser zum Fenster flüchtig                hinaussehend. Kein Stern am Himmel, und der Wind pfeift entsetzlich. Schlaft wohl,                Meister, schlaft wohl!</p><lb/>
        <p>Ein trefflicher Bursche, dachte Reinbacher, indem Wendelin aus dem Zimmer trat.</p><lb/>
        <p>Ueber dem Land und der einsam stehenden Mühle lag die Nacht. Nur die Wasser                rauschten, die Räder gingen ruhig arbeitend weiter, und der Wind ließ von Zeit zu                Zeit seine eintönige Klage vernehmen. Dem Müller gingen, ehe er einschlief, manche                Gedanken<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0036] Ach, Wendelin, versetzte der Müller, du gehst zu. weit. Einiges Bedenken muß man Jedermann verstatten, wenn man in sein Leben eingreift, und wo es die ganze Zukunft und Alles gilt. Er ist ein ganz fügsamer Geselle. Du warst kaum zur Thür hinaus, da ward er folgsam, wie ein Kind. Er sah ein, wie gut ich es mit ihm meine, und fügte sich in Alles. Morgen laß die Pferde stehen. Abends heißt's, den langen Weg nach Bremen machen. Nun Gottlob, daß er aus dem Hause kommt! rief Wendelin. Ich werde nicht ruhig sein, bis ich weiß, daß er fort ist sammt dem Schiff. Schlag' dir die mißtrauischen Gedanken aus dem Kopfe, schloß der Müller, und gehen wir heute früher zu Bett. Morgen wird die ganze Nacht gefahren. Der Müller ging in seine Schlafkammer, Wendelin leuchtete. Ist das einmal wieder eine stürmische Nacht! sagte dieser zum Fenster flüchtig hinaussehend. Kein Stern am Himmel, und der Wind pfeift entsetzlich. Schlaft wohl, Meister, schlaft wohl! Ein trefflicher Bursche, dachte Reinbacher, indem Wendelin aus dem Zimmer trat. Ueber dem Land und der einsam stehenden Mühle lag die Nacht. Nur die Wasser rauschten, die Räder gingen ruhig arbeitend weiter, und der Wind ließ von Zeit zu Zeit seine eintönige Klage vernehmen. Dem Müller gingen, ehe er einschlief, manche Gedanken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:41:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/36
Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/36>, abgerufen am 27.11.2024.