Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.So viel von dem, was vor dem Zeitpunkte lag, an welchem unsere Geschichte anhebt. Wir fahren nun, nachdem wir dies vorausgeschickt und auch von der Lage der Mühle und ihren Räumlichkeiten etwas genaueren Bericht gegeben, um so sicherer in unserer Erzählung fort. Der Raub des Gehenkten -- oder soll man sagen seine Rettung -- war glücklich von Statten gegangen. Niemand, außer Wendelin, wußte, daß ein fremder Mensch in die Mühle gekommen war und nun im hinteren Zimmer schon den zweiten Tag wohne. In der That hatte Wendelin mit großer Gewandtheit die Knechte und Mägde zu beseitigen gewußt, und so war der unheimliche Gast in die Mühle aufs Heimlichste hineingeschmuggelt worden. Dort wurde er mit Speise und Trank aufs Beste versehen und erhielt einen vollständigen Anzug aus des Müllers alter Garderobe. Die Kleidungsstücke, die er am Galgen angehabt, und die aus Hemd, Beinkleid und Socken bestanden, wurden auf den ausdrücklichen Befehl des Müllers von Wendelin im Ofen verbrannt, weniger aus Vorsicht, als um eine abscheuliche Erinnerung zu vernichten. Die Erklärung, die der Kornergeorg dem Müller über das Verbrechen gab, das ihn an den Galgen gebracht, war nun freilich eine, die ihn großentheils rein wusch. Er gestand, daß er mit der Frau des Fuhrmannes Lorenz in verbotenem Umgänge gestanden; das Geld aber, das man bei ihm gefunden, habe er von So viel von dem, was vor dem Zeitpunkte lag, an welchem unsere Geschichte anhebt. Wir fahren nun, nachdem wir dies vorausgeschickt und auch von der Lage der Mühle und ihren Räumlichkeiten etwas genaueren Bericht gegeben, um so sicherer in unserer Erzählung fort. Der Raub des Gehenkten — oder soll man sagen seine Rettung — war glücklich von Statten gegangen. Niemand, außer Wendelin, wußte, daß ein fremder Mensch in die Mühle gekommen war und nun im hinteren Zimmer schon den zweiten Tag wohne. In der That hatte Wendelin mit großer Gewandtheit die Knechte und Mägde zu beseitigen gewußt, und so war der unheimliche Gast in die Mühle aufs Heimlichste hineingeschmuggelt worden. Dort wurde er mit Speise und Trank aufs Beste versehen und erhielt einen vollständigen Anzug aus des Müllers alter Garderobe. Die Kleidungsstücke, die er am Galgen angehabt, und die aus Hemd, Beinkleid und Socken bestanden, wurden auf den ausdrücklichen Befehl des Müllers von Wendelin im Ofen verbrannt, weniger aus Vorsicht, als um eine abscheuliche Erinnerung zu vernichten. Die Erklärung, die der Kornergeorg dem Müller über das Verbrechen gab, das ihn an den Galgen gebracht, war nun freilich eine, die ihn großentheils rein wusch. Er gestand, daß er mit der Frau des Fuhrmannes Lorenz in verbotenem Umgänge gestanden; das Geld aber, das man bei ihm gefunden, habe er von <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0027"/> <p>So viel von dem, was vor dem Zeitpunkte lag, an welchem unsere Geschichte anhebt. Wir fahren nun, nachdem wir dies vorausgeschickt und auch von der Lage der Mühle und ihren Räumlichkeiten etwas genaueren Bericht gegeben, um so sicherer in unserer Erzählung fort.</p><lb/> <p>Der Raub des Gehenkten — oder soll man sagen seine Rettung — war glücklich von Statten gegangen. Niemand, außer Wendelin, wußte, daß ein fremder Mensch in die Mühle gekommen war und nun im hinteren Zimmer schon den zweiten Tag wohne. In der That hatte Wendelin mit großer Gewandtheit die Knechte und Mägde zu beseitigen gewußt, und so war der unheimliche Gast in die Mühle aufs Heimlichste hineingeschmuggelt worden. Dort wurde er mit Speise und Trank aufs Beste versehen und erhielt einen vollständigen Anzug aus des Müllers alter Garderobe. Die Kleidungsstücke, die er am Galgen angehabt, und die aus Hemd, Beinkleid und Socken bestanden, wurden auf den ausdrücklichen Befehl des Müllers von Wendelin im Ofen verbrannt, weniger aus Vorsicht, als um eine abscheuliche Erinnerung zu vernichten.</p><lb/> <p>Die Erklärung, die der Kornergeorg dem Müller über das Verbrechen gab, das ihn an den Galgen gebracht, war nun freilich eine, die ihn großentheils rein wusch. Er gestand, daß er mit der Frau des Fuhrmannes Lorenz in verbotenem Umgänge gestanden; das Geld aber, das man bei ihm gefunden, habe er von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
So viel von dem, was vor dem Zeitpunkte lag, an welchem unsere Geschichte anhebt. Wir fahren nun, nachdem wir dies vorausgeschickt und auch von der Lage der Mühle und ihren Räumlichkeiten etwas genaueren Bericht gegeben, um so sicherer in unserer Erzählung fort.
Der Raub des Gehenkten — oder soll man sagen seine Rettung — war glücklich von Statten gegangen. Niemand, außer Wendelin, wußte, daß ein fremder Mensch in die Mühle gekommen war und nun im hinteren Zimmer schon den zweiten Tag wohne. In der That hatte Wendelin mit großer Gewandtheit die Knechte und Mägde zu beseitigen gewußt, und so war der unheimliche Gast in die Mühle aufs Heimlichste hineingeschmuggelt worden. Dort wurde er mit Speise und Trank aufs Beste versehen und erhielt einen vollständigen Anzug aus des Müllers alter Garderobe. Die Kleidungsstücke, die er am Galgen angehabt, und die aus Hemd, Beinkleid und Socken bestanden, wurden auf den ausdrücklichen Befehl des Müllers von Wendelin im Ofen verbrannt, weniger aus Vorsicht, als um eine abscheuliche Erinnerung zu vernichten.
Die Erklärung, die der Kornergeorg dem Müller über das Verbrechen gab, das ihn an den Galgen gebracht, war nun freilich eine, die ihn großentheils rein wusch. Er gestand, daß er mit der Frau des Fuhrmannes Lorenz in verbotenem Umgänge gestanden; das Geld aber, das man bei ihm gefunden, habe er von
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/27>, abgerufen am 16.07.2024. |