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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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Mann weibliche Hände oder eine Frau knabenhafte Hüften
haben kann, ist eine bekannte Tatsache; daß aber das
Geschlecht in den Zeugungsorganen, diesen "Brennpunkten
des Willens", wie sie Schopenhauer genannt hat, kulminiert,
ist doch wohl eine so einleuchtende Tatsache, daß
die Berechtigung, nach ihr das Geschlecht zu bestimmen,
wohl nur einem krankhaft verstrickten Geiste zweifelhaft
erscheinen kann. Man stelle sich diese neue "Forderung",
die einen köstlichen Stoff für Lustspieldichter darbietet, in
Wirklichkeit durchgeführt vor: vor allem wird die
Geschlechtsbestimmung, die jetzt die Hebamme mit echt
weiblicher Oberflächlichkeit auf den ersten Blick am Neugeborenen
vornimmt, aufgeschoben werden müssen, bis sich
die "sekundären" Geschlechtsmerkmale sichtbar entwickelt
haben. Also: "Geschlecht unbekannt" wird es fürderhin
heißen müssen. Wächst dann das Kind heran und zeigt
solche Merkmale, vermag es z. B. als (wahrscheinlicher)
Jüngling oder als (wahrscheinliches) Weib kollegialen, unerotischen
Umgang mit Altersgenossen des (mutmaßlich)
anderen Geschlechtes zu pflegen, so ist es klar, daß es
kein "richtiger" Mann, respektive kein "richtiges" Weib ist,
und eine Einreihung in das andere Geschlecht, mit dem
sich so verdächtig ungefährlich verkehren läßt, scheint
geboten. Bei den modernen pädagogischen Tendenzen,
die sogar auf Ko-Edukation (gemeinsame Erziehung beider
Geschlechter) hinzielen und wahrscheinlich die Möglichkeit
einer unerotischen Massenkollegialität, eines von Scheu und
Komödie befreiten kameradschaftlichen Verkehres der jungen
Menschen untereinander mit sich bringen dürften, - müßte
die Umstellung in das andere Geschlecht gleich in Massen
erfolgen und die Vertauschung von Höschen und Röckchen
am besten wechselseitig vorgenommen werden. Man muß
solche Menschen (die unerotische Kollegialität mit dem
anderen Geschlechte zu halten vermögen) kennen und sich

Mann weibliche Hände oder eine Frau knabenhafte Hüften
haben kann, ist eine bekannte Tatsache; daß aber das
Geschlecht in den Zeugungsorganen, diesen »Brennpunkten
des Willens«, wie sie Schopenhauer genannt hat, kulminiert,
ist doch wohl eine so einleuchtende Tatsache, daß
die Berechtigung, nach ihr das Geschlecht zu bestimmen,
wohl nur einem krankhaft verstrickten Geiste zweifelhaft
erscheinen kann. Man stelle sich diese neue »Forderung«,
die einen köstlichen Stoff für Lustspieldichter darbietet, in
Wirklichkeit durchgeführt vor: vor allem wird die
Geschlechtsbestimmung, die jetzt die Hebamme mit echt
weiblicher Oberflächlichkeit auf den ersten Blick am Neugeborenen
vornimmt, aufgeschoben werden müssen, bis sich
die »sekundären« Geschlechtsmerkmale sichtbar entwickelt
haben. Also: »Geschlecht unbekannt« wird es fürderhin
heißen müssen. Wächst dann das Kind heran und zeigt
solche Merkmale, vermag es z. B. als (wahrscheinlicher)
Jüngling oder als (wahrscheinliches) Weib kollegialen, unerotischen
Umgang mit Altersgenossen des (mutmaßlich)
anderen Geschlechtes zu pflegen, so ist es klar, daß es
kein »richtiger« Mann, respektive kein »richtiges« Weib ist,
und eine Einreihung in das andere Geschlecht, mit dem
sich so verdächtig ungefährlich verkehren läßt, scheint
geboten. Bei den modernen pädagogischen Tendenzen,
die sogar auf Ko-Edukation (gemeinsame Erziehung beider
Geschlechter) hinzielen und wahrscheinlich die Möglichkeit
einer unerotischen Massenkollegialität, eines von Scheu und
Komödie befreiten kameradschaftlichen Verkehres der jungen
Menschen untereinander mit sich bringen dürften, – müßte
die Umstellung in das andere Geschlecht gleich in Massen
erfolgen und die Vertauschung von Höschen und Röckchen
am besten wechselseitig vorgenommen werden. Man muß
solche Menschen (die unerotische Kollegialität mit dem
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[10/0016] Mann weibliche Hände oder eine Frau knabenhafte Hüften haben kann, ist eine bekannte Tatsache; daß aber das Geschlecht in den Zeugungsorganen, diesen »Brennpunkten des Willens«, wie sie Schopenhauer genannt hat, kulminiert, ist doch wohl eine so einleuchtende Tatsache, daß die Berechtigung, nach ihr das Geschlecht zu bestimmen, wohl nur einem krankhaft verstrickten Geiste zweifelhaft erscheinen kann. Man stelle sich diese neue »Forderung«, die einen köstlichen Stoff für Lustspieldichter darbietet, in Wirklichkeit durchgeführt vor: vor allem wird die Geschlechtsbestimmung, die jetzt die Hebamme mit echt weiblicher Oberflächlichkeit auf den ersten Blick am Neugeborenen vornimmt, aufgeschoben werden müssen, bis sich die »sekundären« Geschlechtsmerkmale sichtbar entwickelt haben. Also: »Geschlecht unbekannt« wird es fürderhin heißen müssen. Wächst dann das Kind heran und zeigt solche Merkmale, vermag es z. B. als (wahrscheinlicher) Jüngling oder als (wahrscheinliches) Weib kollegialen, unerotischen Umgang mit Altersgenossen des (mutmaßlich) anderen Geschlechtes zu pflegen, so ist es klar, daß es kein »richtiger« Mann, respektive kein »richtiges« Weib ist, und eine Einreihung in das andere Geschlecht, mit dem sich so verdächtig ungefährlich verkehren läßt, scheint geboten. Bei den modernen pädagogischen Tendenzen, die sogar auf Ko-Edukation (gemeinsame Erziehung beider Geschlechter) hinzielen und wahrscheinlich die Möglichkeit einer unerotischen Massenkollegialität, eines von Scheu und Komödie befreiten kameradschaftlichen Verkehres der jungen Menschen untereinander mit sich bringen dürften, – müßte die Umstellung in das andere Geschlecht gleich in Massen erfolgen und die Vertauschung von Höschen und Röckchen am besten wechselseitig vorgenommen werden. Man muß solche Menschen (die unerotische Kollegialität mit dem anderen Geschlechte zu halten vermögen) kennen und sich

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/16>, abgerufen am 27.11.2024.