ten, konnten wir gleichwohl noch immer nicht an einen Beschluß kommen, dahero mein Kind vermahnete, so sie anders so viel Kräfte in sich verspüre, ihr Lager zu verlassen, und Feuer in den Ofen zu werfen, dieweilen unsere Magd weg sei. Wöllten nachhero die Sache fer¬ ner in Ueberlegung ziehen. Sie stand dahero auch auf, kehrete aber alsobald mit einem Freudengeschrei zurücke, daß die Magd sich wieder heimlich in das Haus ge¬ schlichen, und allbereits Feuer in den Ofen gestochen. Ließ sie mir also vors Lager kommen, und verwunderte mich über ihren Ungehorsam, was sie hier ferner wölle, als mich und mein Töchterlein noch mehr quälen, und warumb sie nicht gestern mit den alten Paassch gezo¬ gen? Aber sie lamentirte und jünsete *), daß sie kaum sprechen konnte, und verstand ich nur so viel: sie hätte mit uns gessen darumb wölle sie auch mit uns hungern und möcht ich sie nur nit verstoßen, sie könne nun ein¬ mal nit von der lieben Jungfer lassen, so sie schon in der Wiegen gekennet. Solche Lieb' und Treue erbar¬ mete mich so, daß ich fast mit Thränen sprach: aber hastu nit gehöret daß, mein Töchterlein und ich entschlos¬ sen seind, als Bettlersleute ins Land zu gehen, wo wiltu denn bleiben? Hierauf gab sie zur Antwort, daß sie nit wölle, angesehen es gebührlicher **) vor sie, als vor uns wäre, schnurren ***) zu gehen. Daß sie aber noch nit einsäh, warumb ich schon wöllte in die weite Welt
*) stöhnte.
**) schicklicher.
***) betteln.
ten, konnten wir gleichwohl noch immer nicht an einen Beſchluß kommen, dahero mein Kind vermahnete, ſo ſie anders ſo viel Kräfte in ſich verſpüre, ihr Lager zu verlaſſen, und Feuer in den Ofen zu werfen, dieweilen unſere Magd weg ſei. Wöllten nachhero die Sache fer¬ ner in Ueberlegung ziehen. Sie ſtand dahero auch auf, kehrete aber alſobald mit einem Freudengeſchrei zurücke, daß die Magd ſich wieder heimlich in das Haus ge¬ ſchlichen, und allbereits Feuer in den Ofen geſtochen. Ließ ſie mir alſo vors Lager kommen, und verwunderte mich über ihren Ungehorſam, was ſie hier ferner wölle, als mich und mein Töchterlein noch mehr quälen, und warumb ſie nicht geſtern mit den alten Paaſsch gezo¬ gen? Aber ſie lamentirte und jünſete *), daß ſie kaum ſprechen konnte, und verſtand ich nur ſo viel: ſie hätte mit uns geſſen darumb wölle ſie auch mit uns hungern und möcht ich ſie nur nit verſtoßen, ſie könne nun ein¬ mal nit von der lieben Jungfer laſſen, ſo ſie ſchon in der Wiegen gekennet. Solche Lieb' und Treue erbar¬ mete mich ſo, daß ich faſt mit Thränen ſprach: aber haſtu nit gehöret daß, mein Töchterlein und ich entſchloſ¬ ſen ſeind, als Bettlersleute ins Land zu gehen, wo wiltu denn bleiben? Hierauf gab ſie zur Antwort, daß ſie nit wölle, angeſehen es gebührlicher **) vor ſie, als vor uns wäre, ſchnurren ***) zu gehen. Daß ſie aber noch nit einſäh, warumb ich ſchon wöllte in die weite Welt
*) ſtöhnte.
**) ſchicklicher.
***) betteln.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0060"n="44"/>
ten, konnten wir gleichwohl noch immer nicht an einen<lb/>
Beſchluß kommen, dahero mein Kind vermahnete, ſo ſie<lb/>
anders ſo viel Kräfte in ſich verſpüre, ihr Lager zu<lb/>
verlaſſen, und Feuer in den Ofen zu werfen, dieweilen<lb/>
unſere Magd weg ſei. Wöllten nachhero die Sache fer¬<lb/>
ner in Ueberlegung ziehen. Sie ſtand dahero auch auf,<lb/>
kehrete aber alſobald mit einem Freudengeſchrei zurücke,<lb/>
daß die Magd ſich wieder heimlich in das Haus ge¬<lb/>ſchlichen, und allbereits Feuer in den Ofen geſtochen.<lb/>
Ließ ſie mir alſo vors Lager kommen, und verwunderte<lb/>
mich über ihren Ungehorſam, was ſie hier ferner wölle,<lb/>
als mich und mein Töchterlein noch mehr quälen, und<lb/>
warumb ſie nicht geſtern mit den alten Paaſsch gezo¬<lb/>
gen? Aber ſie lamentirte und jünſete <noteplace="foot"n="*)">ſtöhnte.</note>, daß ſie kaum<lb/>ſprechen konnte, und verſtand ich nur ſo viel: ſie hätte<lb/>
mit uns geſſen darumb wölle ſie auch mit uns hungern<lb/>
und möcht ich ſie nur nit verſtoßen, ſie könne nun ein¬<lb/>
mal nit von der lieben Jungfer laſſen, ſo ſie ſchon in<lb/>
der Wiegen gekennet. Solche Lieb' und Treue erbar¬<lb/>
mete mich ſo, daß ich faſt mit Thränen ſprach: aber<lb/>
haſtu nit gehöret daß, mein Töchterlein und ich entſchloſ¬<lb/>ſen ſeind, als Bettlersleute ins Land zu gehen, wo wiltu<lb/>
denn bleiben? Hierauf gab ſie zur Antwort, daß ſie nit<lb/>
wölle, angeſehen es gebührlicher <noteplace="foot"n="**)">ſchicklicher.</note> vor ſie, als vor<lb/>
uns wäre, ſchnurren <noteplace="foot"n="***)">betteln.</note> zu gehen. Daß ſie aber noch<lb/>
nit einſäh, warumb ich ſchon wöllte in die weite Welt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0060]
ten, konnten wir gleichwohl noch immer nicht an einen
Beſchluß kommen, dahero mein Kind vermahnete, ſo ſie
anders ſo viel Kräfte in ſich verſpüre, ihr Lager zu
verlaſſen, und Feuer in den Ofen zu werfen, dieweilen
unſere Magd weg ſei. Wöllten nachhero die Sache fer¬
ner in Ueberlegung ziehen. Sie ſtand dahero auch auf,
kehrete aber alſobald mit einem Freudengeſchrei zurücke,
daß die Magd ſich wieder heimlich in das Haus ge¬
ſchlichen, und allbereits Feuer in den Ofen geſtochen.
Ließ ſie mir alſo vors Lager kommen, und verwunderte
mich über ihren Ungehorſam, was ſie hier ferner wölle,
als mich und mein Töchterlein noch mehr quälen, und
warumb ſie nicht geſtern mit den alten Paaſsch gezo¬
gen? Aber ſie lamentirte und jünſete *), daß ſie kaum
ſprechen konnte, und verſtand ich nur ſo viel: ſie hätte
mit uns geſſen darumb wölle ſie auch mit uns hungern
und möcht ich ſie nur nit verſtoßen, ſie könne nun ein¬
mal nit von der lieben Jungfer laſſen, ſo ſie ſchon in
der Wiegen gekennet. Solche Lieb' und Treue erbar¬
mete mich ſo, daß ich faſt mit Thränen ſprach: aber
haſtu nit gehöret daß, mein Töchterlein und ich entſchloſ¬
ſen ſeind, als Bettlersleute ins Land zu gehen, wo wiltu
denn bleiben? Hierauf gab ſie zur Antwort, daß ſie nit
wölle, angeſehen es gebührlicher **) vor ſie, als vor
uns wäre, ſchnurren ***) zu gehen. Daß ſie aber noch
nit einſäh, warumb ich ſchon wöllte in die weite Welt
*) ſtöhnte.
**) ſchicklicher.
***) betteln.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/60>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.