schritt mit dem Topf zur Thüren. Zwar bat mich mein Töchterlein ich söllte sie lassen, aber ich konnt nicht umb¬ hin, daß ich ihr nachschrie: um Gottes willen nur einen guten Trunk, sonst giebt mein armes Kind den Geist auf; willtu, daß Gott sich dein am jüngsten Tage er¬ barme, so erbarme dich heute mein! Aber sie höhnete uns abermals und rief: he kann sich jo Speck kaken *), und schritt aus der Thüren. Sandte ihr also die Magd nach mit der Sanduhr, so vor mir auf dem Tische stund, daß sie ihr selbige bieten möcht' vor einem guten Trunk aus ihrem Topf. Aber die Magd kam mit der Sand¬ uhren wieder, und sagte: sie hätt es nicht gewollt. Ach wie schriee und seufzete ich nun abermals, als mein arm sterbend Kind den Kopf mit einem lauten Seufzer wie¬ der in das Moos steckete! -- Doch der barmherzige Gott war gnädiger, als ich es mit meinen Unglauben verdient. Denn, da das hartherzige Weibsbilde dem al¬ ten Paassch ihrem Nachbarn ein wenig Suppen mitge¬ theilt, bracht' er sie sogleich vor mein Töchterlein, da er von der Magd wußte, wie es umb sie stünde, und achte ich, daß diese Suppen, nebst Gott, ihr allein das Leben er¬ halten, dieweil sie gleich wieder das Haupt aufreckte, als sie selbige genossen, und nach einer Stunden schon wieder im Hause umbhergehen konnte. Gott lohn's dem ehrli¬ chen Kerl! Hatte dahero noch heute große Freude in mei¬ ner Noth; doch als ich am Abend beim Kaminfeuer nie¬
*) kochen.
ſchritt mit dem Topf zur Thüren. Zwar bat mich mein Töchterlein ich ſöllte ſie laſſen, aber ich konnt nicht umb¬ hin, daß ich ihr nachſchrie: um Gottes willen nur einen guten Trunk, ſonſt giebt mein armes Kind den Geiſt auf; willtu, daß Gott ſich dein am jüngſten Tage er¬ barme, ſo erbarme dich heute mein! Aber ſie höhnete uns abermals und rief: he kann ſich jo Speck kaken *), und ſchritt aus der Thüren. Sandte ihr alſo die Magd nach mit der Sanduhr, ſo vor mir auf dem Tiſche ſtund, daß ſie ihr ſelbige bieten möcht' vor einem guten Trunk aus ihrem Topf. Aber die Magd kam mit der Sand¬ uhren wieder, und ſagte: ſie hätt es nicht gewollt. Ach wie ſchriee und ſeufzete ich nun abermals, als mein arm ſterbend Kind den Kopf mit einem lauten Seufzer wie¬ der in das Moos ſteckete! — Doch der barmherzige Gott war gnädiger, als ich es mit meinen Unglauben verdient. Denn, da das hartherzige Weibsbilde dem al¬ ten Paaſsch ihrem Nachbarn ein wenig Suppen mitge¬ theilt, bracht' er ſie ſogleich vor mein Töchterlein, da er von der Magd wußte, wie es umb ſie ſtünde, und achte ich, daß dieſe Suppen, nebſt Gott, ihr allein das Leben er¬ halten, dieweil ſie gleich wieder das Haupt aufreckte, als ſie ſelbige genoſſen, und nach einer Stunden ſchon wieder im Hauſe umbhergehen konnte. Gott lohn's dem ehrli¬ chen Kerl! Hatte dahero noch heute große Freude in mei¬ ner Noth; doch als ich am Abend beim Kaminfeuer nie¬
*) kochen.
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ſchritt mit dem Topf zur Thüren. Zwar bat mich mein
Töchterlein ich ſöllte ſie laſſen, aber ich konnt nicht umb¬
hin, daß ich ihr nachſchrie: um Gottes willen nur einen
guten Trunk, ſonſt giebt mein armes Kind den Geiſt
auf; willtu, daß Gott ſich dein am jüngſten Tage er¬
barme, ſo erbarme dich heute mein! Aber ſie höhnete
uns abermals und rief: he kann ſich jo Speck kaken *),
und ſchritt aus der Thüren. Sandte ihr alſo die Magd
nach mit der Sanduhr, ſo vor mir auf dem Tiſche ſtund,
daß ſie ihr ſelbige bieten möcht' vor einem guten Trunk
aus ihrem Topf. Aber die Magd kam mit der Sand¬
uhren wieder, und ſagte: ſie hätt es nicht gewollt. Ach
wie ſchriee und ſeufzete ich nun abermals, als mein arm
ſterbend Kind den Kopf mit einem lauten Seufzer wie¬
der in das Moos ſteckete! — Doch der barmherzige
Gott war gnädiger, als ich es mit meinen Unglauben
verdient. Denn, da das hartherzige Weibsbilde dem al¬
ten Paaſsch ihrem Nachbarn ein wenig Suppen mitge¬
theilt, bracht' er ſie ſogleich vor mein Töchterlein, da er
von der Magd wußte, wie es umb ſie ſtünde, und achte
ich, daß dieſe Suppen, nebſt Gott, ihr allein das Leben er¬
halten, dieweil ſie gleich wieder das Haupt aufreckte, als
ſie ſelbige genoſſen, und nach einer Stunden ſchon wieder
im Hauſe umbhergehen konnte. Gott lohn's dem ehrli¬
chen Kerl! Hatte dahero noch heute große Freude in mei¬
ner Noth; doch als ich am Abend beim Kaminfeuer nie¬
*) kochen.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/55>, abgerufen am 23.11.2024.
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