abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬ ben keine lebendige Seele mehr, und noch schwerer ein Bissel Brods, so daß, wenn den Herrn nit ihre Noth jammerte, sie alle des elendiglichen Hungertodes würden sterben müssen.
(Da sage nun Einer: das wöllen Christenmenschen sein!)
Fragte nunmehro, als er schwiege (mit wie viel Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬ ner Hütten, wovon sie aber nichts wußten, als daß sie annoch stünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit einem stillen Seufzerlein und alsobald den alten Seden fragend was sein Weib in der Kirchen gemachet, hätte ich schier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich hörete, daß die Lotterbuben, als sie heraußer getreten, die beiden Kelche nebst den Patenen in Händen getra¬ gen. Fuhr dahero die alte Lise fast heftig an, welche nun auch angeschlichen kam durch das Buschwerk, wor¬ auf sie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde Volk sie gezwungen die Kirche aufzuschließen, da ihr Kerl ja sich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders nit da gewesen. Selbige wären sogleich für den Altar getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was aber eine Erzlüge war) hätten sie alsobald angefangen mit ihren Schwertern zu graben, bis sie auch die Kelche und Patenen gefunden. Könnte auch sein daß ein An¬ derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht immer die Schuld beilegen, und sie also heftig anschnautzen.
abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬ ben keine lebendige Seele mehr, und noch ſchwerer ein Biſſel Brods, ſo daß, wenn den Herrn nit ihre Noth jammerte, ſie alle des elendiglichen Hungertodes würden ſterben müſſen.
(Da ſage nun Einer: das wöllen Chriſtenmenſchen ſein!)
Fragte nunmehro, als er ſchwiege (mit wie viel Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬ ner Hütten, wovon ſie aber nichts wußten, als daß ſie annoch ſtünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit einem ſtillen Seufzerlein und alſobald den alten Seden fragend was ſein Weib in der Kirchen gemachet, hätte ich ſchier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich hörete, daß die Lotterbuben, als ſie heraußer getreten, die beiden Kelche nebſt den Patenen in Händen getra¬ gen. Fuhr dahero die alte Liſe faſt heftig an, welche nun auch angeſchlichen kam durch das Buſchwerk, wor¬ auf ſie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde Volk ſie gezwungen die Kirche aufzuſchließen, da ihr Kerl ja ſich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders nit da geweſen. Selbige wären ſogleich für den Altar getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was aber eine Erzlüge war) hätten ſie alſobald angefangen mit ihren Schwertern zu graben, bis ſie auch die Kelche und Patenen gefunden. Könnte auch ſein daß ein An¬ derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht immer die Schuld beilegen, und ſie alſo heftig anſchnautzen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"n="11"/>
abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬<lb/>
ben keine lebendige Seele mehr, und noch ſchwerer ein<lb/>
Biſſel Brods, ſo daß, wenn den Herrn nit ihre Noth<lb/>
jammerte, ſie alle des elendiglichen Hungertodes würden<lb/>ſterben müſſen.</p><lb/><p>(Da ſage nun Einer: das wöllen Chriſtenmenſchen<lb/>ſein!)</p><lb/><p>Fragte nunmehro, als er ſchwiege (mit wie viel<lb/>
Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬<lb/>
ner Hütten, wovon ſie aber nichts wußten, als daß ſie<lb/>
annoch ſtünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit<lb/>
einem ſtillen Seufzerlein und alſobald den alten Seden<lb/>
fragend was ſein Weib in der Kirchen gemachet, hätte<lb/>
ich ſchier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich<lb/>
hörete, daß die Lotterbuben, als ſie heraußer getreten,<lb/>
die beiden Kelche nebſt den Patenen in Händen getra¬<lb/>
gen. Fuhr dahero die alte Liſe faſt heftig an, welche<lb/>
nun auch angeſchlichen kam durch das Buſchwerk, wor¬<lb/>
auf ſie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde<lb/>
Volk ſie gezwungen die Kirche aufzuſchließen, da ihr Kerl<lb/>
ja ſich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders<lb/>
nit da geweſen. Selbige wären ſogleich für den Altar<lb/>
getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was<lb/>
aber eine Erzlüge war) hätten ſie alſobald angefangen<lb/>
mit ihren Schwertern zu graben, bis ſie auch die Kelche<lb/>
und Patenen gefunden. Könnte auch ſein daß ein An¬<lb/>
derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht<lb/>
immer die Schuld beilegen, und ſie alſo heftig anſchnautzen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[11/0027]
abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬
ben keine lebendige Seele mehr, und noch ſchwerer ein
Biſſel Brods, ſo daß, wenn den Herrn nit ihre Noth
jammerte, ſie alle des elendiglichen Hungertodes würden
ſterben müſſen.
(Da ſage nun Einer: das wöllen Chriſtenmenſchen
ſein!)
Fragte nunmehro, als er ſchwiege (mit wie viel
Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬
ner Hütten, wovon ſie aber nichts wußten, als daß ſie
annoch ſtünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit
einem ſtillen Seufzerlein und alſobald den alten Seden
fragend was ſein Weib in der Kirchen gemachet, hätte
ich ſchier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich
hörete, daß die Lotterbuben, als ſie heraußer getreten,
die beiden Kelche nebſt den Patenen in Händen getra¬
gen. Fuhr dahero die alte Liſe faſt heftig an, welche
nun auch angeſchlichen kam durch das Buſchwerk, wor¬
auf ſie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde
Volk ſie gezwungen die Kirche aufzuſchließen, da ihr Kerl
ja ſich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders
nit da geweſen. Selbige wären ſogleich für den Altar
getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was
aber eine Erzlüge war) hätten ſie alſobald angefangen
mit ihren Schwertern zu graben, bis ſie auch die Kelche
und Patenen gefunden. Könnte auch ſein daß ein An¬
derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht
immer die Schuld beilegen, und ſie alſo heftig anſchnautzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/27>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.