Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

auf erhub die Ausgebersche ein lautes Fluchen und Schimpfen
gegen mein Kind, welche aber nicht darauf achtete, son¬
dern nunmehro aus den Thüren vor den Wagen trat,
wo also viel Volks stunde, daß man Nichtes sahe, denn
Kopf an Kopf. Und drängete sich solches alsbald mit
solchem Rumor umb uns zusammen, daß der Amtshaubt¬
mann, so inzwischen auf seinen Schimmel gestiegen war,
dem Volkes immer rechtes und linkes mit seiner Reit¬
peitschen in die Augen hauete, und sie doch kaum wei¬
chen wollten. Und als es letzlich doch half und sich an
die zehn Kerls mit langen Forken umb unsern Wagen
gestellet, so meistentheils auch noch Stoßdegen an ihrer
Seiten hatten, hub der Büttel mein Töchterlein hinauf
und band sie an den Leiterbaum feste. Mich selbsten
hub der alte Paassch hinauf, so dabei stunde, und auch
mein lieber Gevatter mußte sich hinaufheben lassen, also
schwach war er von allem Jammer worden. Selbiger
winkete nunmehro seinem Küster, Meister Krekow, daß
er mit der Schulen vor dem Wagen vorauf gehen, und
von Zeit zu Zeit einen Vers aus dem feinen Liedlein:
"Ich hab' mein Sach Gott heimgestellt" anheben sölle,
was er auch zu thun versprach: Und will ich annoch
notiren, daß ich selbsten mich bei meim Töchterlein auf
das Stroh setzte, und unser lieber Beichtvater Ehre Mar¬
tinus rückwärts saß. Der Büttel jedoch hackete mit dem
bloßen Schwerte hinten auf. Als solches Allens besche¬
hen, item das Gericht auf einen andern Wagen gestie¬
gen, gab der Amtshaubtmann Befehlig zum Abfahren.


auf erhub die Ausgeberſche ein lautes Fluchen und Schimpfen
gegen mein Kind, welche aber nicht darauf achtete, ſon¬
dern nunmehro aus den Thüren vor den Wagen trat,
wo alſo viel Volks ſtunde, daß man Nichtes ſahe, denn
Kopf an Kopf. Und drängete ſich ſolches alsbald mit
ſolchem Rumor umb uns zuſammen, daß der Amtshaubt¬
mann, ſo inzwiſchen auf ſeinen Schimmel geſtiegen war,
dem Volkes immer rechtes und linkes mit ſeiner Reit¬
peitſchen in die Augen hauete, und ſie doch kaum wei¬
chen wollten. Und als es letzlich doch half und ſich an
die zehn Kerls mit langen Forken umb unſern Wagen
geſtellet, ſo meiſtentheils auch noch Stoßdegen an ihrer
Seiten hatten, hub der Büttel mein Töchterlein hinauf
und band ſie an den Leiterbaum feſte. Mich ſelbſten
hub der alte Paaſsch hinauf, ſo dabei ſtunde, und auch
mein lieber Gevatter mußte ſich hinaufheben laſſen, alſo
ſchwach war er von allem Jammer worden. Selbiger
winkete nunmehro ſeinem Küſter, Meiſter Krekow, daß
er mit der Schulen vor dem Wagen vorauf gehen, und
von Zeit zu Zeit einen Vers aus dem feinen Liedlein:
„Ich hab' mein Sach Gott heimgeſtellt“ anheben ſölle,
was er auch zu thun verſprach: Und will ich annoch
notiren, daß ich ſelbſten mich bei meim Töchterlein auf
das Stroh ſetzte, und unſer lieber Beichtvater Ehre Mar¬
tinus rückwärts ſaß. Der Büttel jedoch hackete mit dem
bloßen Schwerte hinten auf. Als ſolches Allens beſche¬
hen, item das Gericht auf einen andern Wagen geſtie¬
gen, gab der Amtshaubtmann Befehlig zum Abfahren.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="247"/>
auf erhub die Ausgeber&#x017F;che ein lautes Fluchen und Schimpfen<lb/>
gegen mein Kind, welche aber nicht darauf achtete, &#x017F;on¬<lb/>
dern nunmehro aus den Thüren vor den Wagen trat,<lb/>
wo al&#x017F;o viel Volks &#x017F;tunde, daß man Nichtes &#x017F;ahe, denn<lb/>
Kopf an Kopf. Und drängete &#x017F;ich &#x017F;olches alsbald mit<lb/>
&#x017F;olchem Rumor umb uns zu&#x017F;ammen, daß der Amtshaubt¬<lb/>
mann, &#x017F;o inzwi&#x017F;chen auf &#x017F;einen Schimmel ge&#x017F;tiegen war,<lb/>
dem Volkes immer rechtes und linkes mit &#x017F;einer Reit¬<lb/>
peit&#x017F;chen in die Augen hauete, und &#x017F;ie doch kaum wei¬<lb/>
chen wollten. Und als es letzlich doch half und &#x017F;ich an<lb/>
die zehn Kerls mit langen Forken umb un&#x017F;ern Wagen<lb/>
ge&#x017F;tellet, &#x017F;o mei&#x017F;tentheils auch noch Stoßdegen an ihrer<lb/>
Seiten hatten, hub der Büttel mein Töchterlein hinauf<lb/>
und band &#x017F;ie an den Leiterbaum fe&#x017F;te. Mich &#x017F;elb&#x017F;ten<lb/>
hub der alte Paa&#x017F;sch hinauf, &#x017F;o dabei &#x017F;tunde, und auch<lb/>
mein lieber Gevatter mußte &#x017F;ich hinaufheben la&#x017F;&#x017F;en, al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwach war er von allem Jammer worden. Selbiger<lb/>
winkete nunmehro &#x017F;einem Kü&#x017F;ter, Mei&#x017F;ter Krekow, daß<lb/>
er mit der Schulen vor dem Wagen vorauf gehen, und<lb/>
von Zeit zu Zeit einen Vers aus dem feinen Liedlein:<lb/>
&#x201E;Ich hab' mein Sach Gott heimge&#x017F;tellt&#x201C; anheben &#x017F;ölle,<lb/>
was er auch zu thun ver&#x017F;prach: Und will ich annoch<lb/>
notiren, daß ich &#x017F;elb&#x017F;ten mich bei meim Töchterlein auf<lb/>
das Stroh &#x017F;etzte, und un&#x017F;er lieber Beichtvater Ehre Mar¬<lb/>
tinus rückwärts &#x017F;aß. Der Büttel jedoch hackete mit dem<lb/>
bloßen Schwerte hinten auf. Als &#x017F;olches Allens be&#x017F;che¬<lb/>
hen, <hi rendition="#aq">item</hi> das Gericht auf einen andern Wagen ge&#x017F;tie¬<lb/>
gen, gab der Amtshaubtmann Befehlig zum Abfahren.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0263] auf erhub die Ausgeberſche ein lautes Fluchen und Schimpfen gegen mein Kind, welche aber nicht darauf achtete, ſon¬ dern nunmehro aus den Thüren vor den Wagen trat, wo alſo viel Volks ſtunde, daß man Nichtes ſahe, denn Kopf an Kopf. Und drängete ſich ſolches alsbald mit ſolchem Rumor umb uns zuſammen, daß der Amtshaubt¬ mann, ſo inzwiſchen auf ſeinen Schimmel geſtiegen war, dem Volkes immer rechtes und linkes mit ſeiner Reit¬ peitſchen in die Augen hauete, und ſie doch kaum wei¬ chen wollten. Und als es letzlich doch half und ſich an die zehn Kerls mit langen Forken umb unſern Wagen geſtellet, ſo meiſtentheils auch noch Stoßdegen an ihrer Seiten hatten, hub der Büttel mein Töchterlein hinauf und band ſie an den Leiterbaum feſte. Mich ſelbſten hub der alte Paaſsch hinauf, ſo dabei ſtunde, und auch mein lieber Gevatter mußte ſich hinaufheben laſſen, alſo ſchwach war er von allem Jammer worden. Selbiger winkete nunmehro ſeinem Küſter, Meiſter Krekow, daß er mit der Schulen vor dem Wagen vorauf gehen, und von Zeit zu Zeit einen Vers aus dem feinen Liedlein: „Ich hab' mein Sach Gott heimgeſtellt“ anheben ſölle, was er auch zu thun verſprach: Und will ich annoch notiren, daß ich ſelbſten mich bei meim Töchterlein auf das Stroh ſetzte, und unſer lieber Beichtvater Ehre Mar¬ tinus rückwärts ſaß. Der Büttel jedoch hackete mit dem bloßen Schwerte hinten auf. Als ſolches Allens beſche¬ hen, item das Gericht auf einen andern Wagen geſtie¬ gen, gab der Amtshaubtmann Befehlig zum Abfahren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/263
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/263>, abgerufen am 24.11.2024.