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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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gen der armen Sünder und absonderlich derer Hexen
zu gehen. Aber solches wollte der grausame Amtshaubt¬
mann nit zugeben, dahero es verblieb, wie es war, in¬
deme der dreuste Büttel sie alsbald auch bei ihrem Arm
ergriff und aus dem Gerichtszimmer führete. Auf der
Dielen aber hatte es einen großen Scandalum, so mir
wiederumb mein Herze durchschnitt. Denn die Ausge¬
bersche und den dreusten Büttel sein Weib schlugen sich
dort umb meines Töchterleins ihre Betten, wie umb ihr
alltagsch Zeug, so die Ausgebersche vor sich gehohlet,
das andere Weib aber auch haben wollte.

Selbige rief nunmehro gleich ihren Mann zur Hülfe
welcher auch furts mein Töchterlein fahren ließe, und
der Ausgeberschen mit seiner Faust also in ihr Maul
schlug, daß ihr das Blut daraus herfürging und sie ein
grausam Geschrei gegen den Amtshaubtmann erhube,
welcher mit dem Gericht uns folgete. Selbiger bedräuete
sie beide vergeblich, und sagte, daß er nachgehends, wenn
er wiederkam, die Sache untersuchen und einem Jegli¬
chen seinen Theil geben wölle. -- Hierauf wollten sie
aber nicht hören, bis mein Töchterlein Dn. Consulem
fragte: ob ein Jeder so da stürbe, und also auch ein
armer Sünder die Macht habe sein Haabe und Gut zu
vermachen, weme er wölle? Und als er zur Antwort
gab: " ja, bis auf die Kleider so dem Scharfrichter ge¬
hören!" sprach sie: "gut, so kann der Büttel meine
Kleider nehmen, mein Bette aber soll Niemand haben,
denn meine alte getreue Magd Ilse geheißen!" Hier¬

gen der armen Sünder und abſonderlich derer Hexen
zu gehen. Aber ſolches wollte der grauſame Amtshaubt¬
mann nit zugeben, dahero es verblieb, wie es war, in¬
deme der dreuſte Büttel ſie alsbald auch bei ihrem Arm
ergriff und aus dem Gerichtszimmer führete. Auf der
Dielen aber hatte es einen großen Scandalum, ſo mir
wiederumb mein Herze durchſchnitt. Denn die Ausge¬
berſche und den dreuſten Büttel ſein Weib ſchlugen ſich
dort umb meines Töchterleins ihre Betten, wie umb ihr
alltagſch Zeug, ſo die Ausgeberſche vor ſich gehohlet,
das andere Weib aber auch haben wollte.

Selbige rief nunmehro gleich ihren Mann zur Hülfe
welcher auch furts mein Töchterlein fahren ließe, und
der Ausgeberſchen mit ſeiner Fauſt alſo in ihr Maul
ſchlug, daß ihr das Blut daraus herfürging und ſie ein
grauſam Geſchrei gegen den Amtshaubtmann erhube,
welcher mit dem Gericht uns folgete. Selbiger bedräuete
ſie beide vergeblich, und ſagte, daß er nachgehends, wenn
er wiederkam, die Sache unterſuchen und einem Jegli¬
chen ſeinen Theil geben wölle. — Hierauf wollten ſie
aber nicht hören, bis mein Töchterlein Dn. Consulem
fragte: ob ein Jeder ſo da ſtürbe, und alſo auch ein
armer Sünder die Macht habe ſein Haabe und Gut zu
vermachen, weme er wölle? Und als er zur Antwort
gab: „ ja, bis auf die Kleider ſo dem Scharfrichter ge¬
hören!" ſprach ſie: „gut, ſo kann der Büttel meine
Kleider nehmen, mein Bette aber ſoll Niemand haben,
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[246/0262] gen der armen Sünder und abſonderlich derer Hexen zu gehen. Aber ſolches wollte der grauſame Amtshaubt¬ mann nit zugeben, dahero es verblieb, wie es war, in¬ deme der dreuſte Büttel ſie alsbald auch bei ihrem Arm ergriff und aus dem Gerichtszimmer führete. Auf der Dielen aber hatte es einen großen Scandalum, ſo mir wiederumb mein Herze durchſchnitt. Denn die Ausge¬ berſche und den dreuſten Büttel ſein Weib ſchlugen ſich dort umb meines Töchterleins ihre Betten, wie umb ihr alltagſch Zeug, ſo die Ausgeberſche vor ſich gehohlet, das andere Weib aber auch haben wollte. Selbige rief nunmehro gleich ihren Mann zur Hülfe welcher auch furts mein Töchterlein fahren ließe, und der Ausgeberſchen mit ſeiner Fauſt alſo in ihr Maul ſchlug, daß ihr das Blut daraus herfürging und ſie ein grauſam Geſchrei gegen den Amtshaubtmann erhube, welcher mit dem Gericht uns folgete. Selbiger bedräuete ſie beide vergeblich, und ſagte, daß er nachgehends, wenn er wiederkam, die Sache unterſuchen und einem Jegli¬ chen ſeinen Theil geben wölle. — Hierauf wollten ſie aber nicht hören, bis mein Töchterlein Dn. Consulem fragte: ob ein Jeder ſo da ſtürbe, und alſo auch ein armer Sünder die Macht habe ſein Haabe und Gut zu vermachen, weme er wölle? Und als er zur Antwort gab: „ ja, bis auf die Kleider ſo dem Scharfrichter ge¬ hören!" ſprach ſie: „gut, ſo kann der Büttel meine Kleider nehmen, mein Bette aber ſoll Niemand haben, denn meine alte getreue Magd Ilſe geheißen!" Hier¬

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/262>, abgerufen am 24.11.2024.