alte Lise gesagt, gläube er nicht. Denn wiewohlen er bei ihme noch gar nicht zu Gottes Tisch gewest, hätt er doch vernommen, daß er in Stettin oftermalen mit S. fr. G. dem Herzogen hinzugegangen und ihme der Pastor an der Schloßkirchen solches selbsten durch sein Communionbuch documentiret. Dannenhero könne er auch unmöglich gläuben, daß er mein Töchterlein sölle unschuldig in ihr Elend stürzen, wie die Vettel gesaget. Auch hätte mein Töchterlein sich ja gutwillig für eine Hexe ausgeben. Hierauf gab ich zur Antwort: daß sie es aus Furcht vor der Marter gethan; sonst, ihren Tod anlangend, so scheue sie selbigen nicht, worauf ich ihm mit vielen Seufzern berichtete, wie der Amtshaubtmann gestern mich elenden und ungläubigen Knecht zum Bösen gereizet, daß ich schier willens gewest, mein einzig Kind ihme und dem Satan zu verkaufen, und nicht würdig wäre, heute das Sacrament zu empfahen. Wie mein Töchterlein aber einen viel steiferen Glauben, denn ich gehabt, was er aus ihrem Schreiben sehen könnte, so ich annoch in der Taschen hätte. Gab es ihm also in seine Hand, und nachdeme er es gelesen, seufzete er nicht anders denn ein Vater und sprach: wäre es müglich, so könnte ich für Schmerz in die Erde sinken, aber kum¬ met, kummet mein Bruder, auf daß ich ihren Glauben selbsten sehe.
Und gingen wir nunmehro auf das Schloß; doch stand unterweges auf dem Brink vor dem Förster item umb das Schloß schon Allens voller Menschen so aber
alte Liſe geſagt, gläube er nicht. Denn wiewohlen er bei ihme noch gar nicht zu Gottes Tiſch geweſt, hätt er doch vernommen, daß er in Stettin oftermalen mit S. fr. G. dem Herzogen hinzugegangen und ihme der Pastor an der Schloßkirchen ſolches ſelbſten durch ſein Communionbuch documentiret. Dannenhero könne er auch unmöglich gläuben, daß er mein Töchterlein ſölle unſchuldig in ihr Elend ſtürzen, wie die Vettel geſaget. Auch hätte mein Töchterlein ſich ja gutwillig für eine Hexe ausgeben. Hierauf gab ich zur Antwort: daß ſie es aus Furcht vor der Marter gethan; ſonſt, ihren Tod anlangend, ſo ſcheue ſie ſelbigen nicht, worauf ich ihm mit vielen Seufzern berichtete, wie der Amtshaubtmann geſtern mich elenden und ungläubigen Knecht zum Böſen gereizet, daß ich ſchier willens geweſt, mein einzig Kind ihme und dem Satan zu verkaufen, und nicht würdig wäre, heute das Sacrament zu empfahen. Wie mein Töchterlein aber einen viel ſteiferen Glauben, denn ich gehabt, was er aus ihrem Schreiben ſehen könnte, ſo ich annoch in der Taſchen hätte. Gab es ihm alſo in ſeine Hand, und nachdeme er es geleſen, ſeufzete er nicht anders denn ein Vater und ſprach: wäre es müglich, ſo könnte ich für Schmerz in die Erde ſinken, aber kum¬ met, kummet mein Bruder, auf daß ich ihren Glauben ſelbſten ſehe.
Und gingen wir nunmehro auf das Schloß; doch ſtand unterweges auf dem Brink vor dem Förſter item umb das Schloß ſchon Allens voller Menſchen ſo aber
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alte Liſe geſagt, gläube er nicht. Denn wiewohlen er
bei ihme noch gar nicht zu Gottes Tiſch geweſt, hätt
er doch vernommen, daß er in Stettin oftermalen mit
S. fr. G. dem Herzogen hinzugegangen und ihme der
Pastor an der Schloßkirchen ſolches ſelbſten durch ſein
Communionbuch documentiret. Dannenhero könne er
auch unmöglich gläuben, daß er mein Töchterlein ſölle
unſchuldig in ihr Elend ſtürzen, wie die Vettel geſaget.
Auch hätte mein Töchterlein ſich ja gutwillig für eine
Hexe ausgeben. Hierauf gab ich zur Antwort: daß ſie
es aus Furcht vor der Marter gethan; ſonſt, ihren Tod
anlangend, ſo ſcheue ſie ſelbigen nicht, worauf ich ihm
mit vielen Seufzern berichtete, wie der Amtshaubtmann
geſtern mich elenden und ungläubigen Knecht zum Böſen
gereizet, daß ich ſchier willens geweſt, mein einzig Kind
ihme und dem Satan zu verkaufen, und nicht würdig
wäre, heute das Sacrament zu empfahen. Wie mein
Töchterlein aber einen viel ſteiferen Glauben, denn ich
gehabt, was er aus ihrem Schreiben ſehen könnte, ſo
ich annoch in der Taſchen hätte. Gab es ihm alſo in
ſeine Hand, und nachdeme er es geleſen, ſeufzete er nicht
anders denn ein Vater und ſprach: wäre es müglich,
ſo könnte ich für Schmerz in die Erde ſinken, aber kum¬
met, kummet mein Bruder, auf daß ich ihren Glauben
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/252>, abgerufen am 24.11.2024.
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