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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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und weme ich sonsten in meinem Gram begegnete, sie
wüßten nicht in welchem Loch die Hexe sitzen müge.

Ging dannenhero rund umb das Schloß, und legete
an jedes Fensterken, so mir wohl den Anschein hatte,
daß es ihr Fensterken wär, meine Ohren und rufete:
Maria mein Töchterlein wo bistu? item, wo ich ein
Gegitter fand, fiel ich auf meine Kniee, neigete mein
Haupt und rufete eben also in den Keller. Doch es
war Allens umbsonst, ich bekam nirgends nicht eine Ant¬
wort. Solches hatte endiglichen der Amtshaubtmann
gesehen, und kam mit gar freundlicher Mienen zu mir
aus dem Schloß gangen, griff mich bei meiner Hand,
und fragete, was ich wölle? Und als ich ihm zur Ant¬
wort gab: daß ich mein einzig Kind seit verschienenen
Donnerstag nit gesehen und er sich erbarmen möge, und
mich zu ihr führen lassen, sprach er, daß solches nit an¬
ginge, doch sölle ich mit ihm auf sein Zimmer kom¬
men, umb über die Sache ein Mehres zu reden. Un¬
terweges sagete er: die alte Hexe hat Euch wohl was
Schönes von mir verzählet, aber Ihr sehet, wie der
allmächtige Gott sie in sein gerecht Gericht genommen.
Sie ist schon lange reif gewest vor das Feuer, aber meine
große Langmuth, worin eine gute Obrigkeit immer dem
Herren nacheifern muß, hat es bis dato übersehen und
nun machet sie mir zum Dank solches Geschreie. Und
als ich ihm versetzete: "wie weiß Ew. G. daß die Hexe
Ihme ein solch Geschrei gemachet?" hub er anfänglich
an zu stöttern und sprach alsdann: Ei Ihr habet es

und weme ich ſonſten in meinem Gram begegnete, ſie
wüßten nicht in welchem Loch die Hexe ſitzen müge.

Ging dannenhero rund umb das Schloß, und legete
an jedes Fenſterken, ſo mir wohl den Anſchein hatte,
daß es ihr Fenſterken wär, meine Ohren und rufete:
Maria mein Töchterlein wo biſtu? item, wo ich ein
Gegitter fand, fiel ich auf meine Kniee, neigete mein
Haupt und rufete eben alſo in den Keller. Doch es
war Allens umbſonſt, ich bekam nirgends nicht eine Ant¬
wort. Solches hatte endiglichen der Amtshaubtmann
geſehen, und kam mit gar freundlicher Mienen zu mir
aus dem Schloß gangen, griff mich bei meiner Hand,
und fragete, was ich wölle? Und als ich ihm zur Ant¬
wort gab: daß ich mein einzig Kind ſeit verſchienenen
Donnerſtag nit geſehen und er ſich erbarmen möge, und
mich zu ihr führen laſſen, ſprach er, daß ſolches nit an¬
ginge, doch ſölle ich mit ihm auf ſein Zimmer kom¬
men, umb über die Sache ein Mehres zu reden. Un¬
terweges ſagete er: die alte Hexe hat Euch wohl was
Schönes von mir verzählet, aber Ihr ſehet, wie der
allmächtige Gott ſie in ſein gerecht Gericht genommen.
Sie iſt ſchon lange reif geweſt vor das Feuer, aber meine
große Langmuth, worin eine gute Obrigkeit immer dem
Herren nacheifern muß, hat es bis dato überſehen und
nun machet ſie mir zum Dank ſolches Geſchreie. Und
als ich ihm verſetzete: „wie weiß Ew. G. daß die Hexe
Ihme ein ſolch Geſchrei gemachet?“ hub er anfänglich
an zu ſtöttern und ſprach alsdann: Ei Ihr habet es

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[222/0238] und weme ich ſonſten in meinem Gram begegnete, ſie wüßten nicht in welchem Loch die Hexe ſitzen müge. Ging dannenhero rund umb das Schloß, und legete an jedes Fenſterken, ſo mir wohl den Anſchein hatte, daß es ihr Fenſterken wär, meine Ohren und rufete: Maria mein Töchterlein wo biſtu? item, wo ich ein Gegitter fand, fiel ich auf meine Kniee, neigete mein Haupt und rufete eben alſo in den Keller. Doch es war Allens umbſonſt, ich bekam nirgends nicht eine Ant¬ wort. Solches hatte endiglichen der Amtshaubtmann geſehen, und kam mit gar freundlicher Mienen zu mir aus dem Schloß gangen, griff mich bei meiner Hand, und fragete, was ich wölle? Und als ich ihm zur Ant¬ wort gab: daß ich mein einzig Kind ſeit verſchienenen Donnerſtag nit geſehen und er ſich erbarmen möge, und mich zu ihr führen laſſen, ſprach er, daß ſolches nit an¬ ginge, doch ſölle ich mit ihm auf ſein Zimmer kom¬ men, umb über die Sache ein Mehres zu reden. Un¬ terweges ſagete er: die alte Hexe hat Euch wohl was Schönes von mir verzählet, aber Ihr ſehet, wie der allmächtige Gott ſie in ſein gerecht Gericht genommen. Sie iſt ſchon lange reif geweſt vor das Feuer, aber meine große Langmuth, worin eine gute Obrigkeit immer dem Herren nacheifern muß, hat es bis dato überſehen und nun machet ſie mir zum Dank ſolches Geſchreie. Und als ich ihm verſetzete: „wie weiß Ew. G. daß die Hexe Ihme ein ſolch Geſchrei gemachet?“ hub er anfänglich an zu ſtöttern und ſprach alsdann: Ei Ihr habet es

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/238>, abgerufen am 22.11.2024.