tet, wenn Hinrich Seden nicht für mich im Kapsel *) gebetet. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl in der Ewig¬ keit! Er wurde dazumalen auch schon alt und hatte viel Plage von seinem bösen Weibe, Lise Kollken. Dachte gleich, daß es nit sonderlich gehen würd, als ich sie traute; angesehen sie im gemeinen Geschrei war, daß sie lange mit Wittich Appelmann in Unzucht gelebet, welcher von jeher ein rechter Erzschalk und auch absonderlich ein hitzi¬ ger -- -- -- Jäger gewest, denn so etwas gesegnet der Herre nicht. Selbiger Seden nun brachte mir 5 Brodte, 2 Würste und eine Gans, so die alte Paalsche in Lod¬ din ihm verehret, item eine Seite Speck von Hans Te¬ wert dem Bauern. Müchte ihn aber vor seiner Frauen schützen, welche die Hälfte hätte vor ihr behalten wollen, und da er sich gewegert, hätte sie ihn vermaledeiet und die Kopfgicht angewünscht, so daß er gleich ein Ziehen in der rechten Wangen verspüret, welches jetzunder fast hart und schwer geworden. Für solcher erschröcklichen Nachricht entsetzte ich mich, wie einem guten Seelenhir¬ ten geziemet, fragende: ob er vielleicht gläubete, daß sie in bösem Verkehr mit dem leidigen Satan stünde, und hexen könnte? Aber er schwiege und zuckete mit den Ach¬ seln. Ließ mir also die alte Lise rufen welche ein lang, dürr Mensch, bei 60 Jahren war, mit Gluderaugen, so daß sie Niemand nit gerade ins Antlitz schauete, item mit eitel rothen Haaren wie sie ihr Kerl auch hatte.
*) Allmosen in der Gemeinde eingesammelt.
tet, wenn Hinrich Seden nicht für mich im Kapſel *) gebetet. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl in der Ewig¬ keit! Er wurde dazumalen auch ſchon alt und hatte viel Plage von ſeinem böſen Weibe, Liſe Kollken. Dachte gleich, daß es nit ſonderlich gehen würd, als ich ſie traute; angeſehen ſie im gemeinen Geſchrei war, daß ſie lange mit Wittich Appelmann in Unzucht gelebet, welcher von jeher ein rechter Erzſchalk und auch abſonderlich ein hitzi¬ ger — — — Jäger geweſt, denn ſo etwas geſegnet der Herre nicht. Selbiger Seden nun brachte mir 5 Brodte, 2 Würſte und eine Gans, ſo die alte Paalſche in Lod¬ din ihm verehret, item eine Seite Speck von Hans Te¬ wert dem Bauern. Müchte ihn aber vor ſeiner Frauen ſchützen, welche die Hälfte hätte vor ihr behalten wollen, und da er ſich gewegert, hätte ſie ihn vermaledeiet und die Kopfgicht angewünſcht, ſo daß er gleich ein Ziehen in der rechten Wangen verſpüret, welches jetzunder faſt hart und ſchwer geworden. Für ſolcher erſchröcklichen Nachricht entſetzte ich mich, wie einem guten Seelenhir¬ ten geziemet, fragende: ob er vielleicht gläubete, daß ſie in böſem Verkehr mit dem leidigen Satan ſtünde, und hexen könnte? Aber er ſchwiege und zuckete mit den Ach¬ ſeln. Ließ mir alſo die alte Liſe rufen welche ein lang, dürr Menſch, bei 60 Jahren war, mit Gluderaugen, ſo daß ſie Niemand nit gerade ins Antlitz ſchauete, item mit eitel rothen Haaren wie ſie ihr Kerl auch hatte.
*) Allmoſen in der Gemeinde eingeſammelt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0020"n="4"/>
tet, wenn Hinrich Seden nicht für mich im Kapſel <noteplace="foot"n="*)">Allmoſen in der Gemeinde eingeſammelt.</note><lb/>
gebetet. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl in der Ewig¬<lb/>
keit! Er wurde dazumalen auch ſchon alt und hatte viel<lb/>
Plage von ſeinem böſen Weibe, Liſe Kollken. Dachte gleich,<lb/>
daß es nit ſonderlich gehen würd, als ich ſie traute;<lb/>
angeſehen ſie im gemeinen Geſchrei war, daß ſie lange<lb/>
mit Wittich Appelmann in Unzucht gelebet, welcher von<lb/>
jeher ein rechter Erzſchalk und auch abſonderlich ein hitzi¬<lb/>
ger ——— Jäger geweſt, denn ſo etwas geſegnet der<lb/>
Herre nicht. Selbiger Seden nun brachte mir 5 Brodte,<lb/>
2 Würſte und eine Gans, ſo die alte Paalſche in Lod¬<lb/>
din ihm verehret, <hirendition="#aq">item</hi> eine Seite Speck von Hans Te¬<lb/>
wert dem Bauern. Müchte ihn aber vor ſeiner Frauen<lb/>ſchützen, welche die Hälfte hätte vor ihr behalten wollen,<lb/>
und da er ſich gewegert, hätte ſie ihn vermaledeiet und<lb/>
die Kopfgicht angewünſcht, ſo daß er gleich ein Ziehen<lb/>
in der rechten Wangen verſpüret, welches jetzunder faſt<lb/>
hart und ſchwer geworden. Für ſolcher erſchröcklichen<lb/>
Nachricht entſetzte ich mich, wie einem guten Seelenhir¬<lb/>
ten geziemet, fragende: ob er vielleicht gläubete, daß ſie<lb/>
in böſem Verkehr mit dem leidigen Satan ſtünde, und<lb/>
hexen könnte? Aber er ſchwiege und zuckete mit den Ach¬<lb/>ſeln. Ließ mir alſo die alte Liſe rufen welche ein lang,<lb/>
dürr Menſch, bei 60 Jahren war, mit Gluderaugen,<lb/>ſo daß ſie Niemand nit gerade ins Antlitz ſchauete, <hirendition="#aq">item</hi><lb/>
mit eitel rothen Haaren wie ſie ihr Kerl auch hatte.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[4/0020]
tet, wenn Hinrich Seden nicht für mich im Kapſel *)
gebetet. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl in der Ewig¬
keit! Er wurde dazumalen auch ſchon alt und hatte viel
Plage von ſeinem böſen Weibe, Liſe Kollken. Dachte gleich,
daß es nit ſonderlich gehen würd, als ich ſie traute;
angeſehen ſie im gemeinen Geſchrei war, daß ſie lange
mit Wittich Appelmann in Unzucht gelebet, welcher von
jeher ein rechter Erzſchalk und auch abſonderlich ein hitzi¬
ger — — — Jäger geweſt, denn ſo etwas geſegnet der
Herre nicht. Selbiger Seden nun brachte mir 5 Brodte,
2 Würſte und eine Gans, ſo die alte Paalſche in Lod¬
din ihm verehret, item eine Seite Speck von Hans Te¬
wert dem Bauern. Müchte ihn aber vor ſeiner Frauen
ſchützen, welche die Hälfte hätte vor ihr behalten wollen,
und da er ſich gewegert, hätte ſie ihn vermaledeiet und
die Kopfgicht angewünſcht, ſo daß er gleich ein Ziehen
in der rechten Wangen verſpüret, welches jetzunder faſt
hart und ſchwer geworden. Für ſolcher erſchröcklichen
Nachricht entſetzte ich mich, wie einem guten Seelenhir¬
ten geziemet, fragende: ob er vielleicht gläubete, daß ſie
in böſem Verkehr mit dem leidigen Satan ſtünde, und
hexen könnte? Aber er ſchwiege und zuckete mit den Ach¬
ſeln. Ließ mir alſo die alte Liſe rufen welche ein lang,
dürr Menſch, bei 60 Jahren war, mit Gluderaugen,
ſo daß ſie Niemand nit gerade ins Antlitz ſchauete, item
mit eitel rothen Haaren wie ſie ihr Kerl auch hatte.
*) Allmoſen in der Gemeinde eingeſammelt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/20>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.