Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Es hatte sie der Kerl bei ihren langen Haaren gegrif¬
fen, und leitete sie also vor den Tisch, worauf sie sich
erst umbkehren und die Richter ansehen mußte. Dabei
hatte er ein groß Wort und war in alle Wege ein dreu¬
ster und muthwilliger Schalk, wie man bald weiters hö¬
ren wird. Nachdeme nun Dn. Consul einen großen
Seufzer gelassen und sie von Kopf bis zu den Füßen
sich angesehen, fragete er erstlich, wie sie heiße, und wie
alt sie wär, item ob sie wüßte, warumb sie hieher ge¬
fordert? Auf letzten Punkt gab sie zur Antwort: daß
der Amtshaubtmann solches ja bereits ihrem Vater ver¬
meldet, und wölle sie Niemand Unrecht thun, gläube aber,
daß der Amtshaubtmann selbsten ihr zu dem Geschrei
einer Hexen verholfen umb sie zu seinem unkeuschen Wil¬
len zu bringen. Hierauf verzählete sie, wie er es vom
Anfang an mit ihr getrieben, und sie durchaus zu einer
Ausgeberschen verlanget. Da sie aber solches nicht hätte
thun wöllen, obgleich er selbsten unterschiedliche Malen
zu ihrem Vater ins Haus gekommen, hätte er einsmals
als er aus der Thüren gegangen für sich in den Bart
gemummelt: "ich will sie doch wohl kriegen!" wie sol¬
ches ihr Ackersknecht Claus Nels im Pferdestall, wo er
gestanden, mit angehöret. Und solches habe er alsobald
zu vollenführen gesucht indeme er viel mit einem gott¬
losen Weibe, so Lise Kolken hieße, und früher bei ihme
im Dienst gestanden, conversiret. Selbige möchte wohl
die Zauberstückchen gespielet haben, so man ihr andichte,
sie wisse von keinem Zauber. Item verzählete sie: wie

Es hatte ſie der Kerl bei ihren langen Haaren gegrif¬
fen, und leitete ſie alſo vor den Tiſch, worauf ſie ſich
erſt umbkehren und die Richter anſehen mußte. Dabei
hatte er ein groß Wort und war in alle Wege ein dreu¬
ſter und muthwilliger Schalk, wie man bald weiters hö¬
ren wird. Nachdeme nun Dn. Consul einen großen
Seufzer gelaſſen und ſie von Kopf bis zu den Füßen
ſich angeſehen, fragete er erſtlich, wie ſie heiße, und wie
alt ſie wär, item ob ſie wüßte, warumb ſie hieher ge¬
fordert? Auf letzten Punkt gab ſie zur Antwort: daß
der Amtshaubtmann ſolches ja bereits ihrem Vater ver¬
meldet, und wölle ſie Niemand Unrecht thun, gläube aber,
daß der Amtshaubtmann ſelbſten ihr zu dem Geſchrei
einer Hexen verholfen umb ſie zu ſeinem unkeuſchen Wil¬
len zu bringen. Hierauf verzählete ſie, wie er es vom
Anfang an mit ihr getrieben, und ſie durchaus zu einer
Ausgeberſchen verlanget. Da ſie aber ſolches nicht hätte
thun wöllen, obgleich er ſelbſten unterſchiedliche Malen
zu ihrem Vater ins Haus gekommen, hätte er einsmals
als er aus der Thüren gegangen für ſich in den Bart
gemummelt: „ich will ſie doch wohl kriegen!“ wie ſol¬
ches ihr Ackersknecht Claus Nels im Pferdeſtall, wo er
geſtanden, mit angehöret. Und ſolches habe er alſobald
zu vollenführen geſucht indeme er viel mit einem gott¬
loſen Weibe, ſo Liſe Kolken hieße, und früher bei ihme
im Dienſt geſtanden, converſiret. Selbige möchte wohl
die Zauberſtückchen geſpielet haben, ſo man ihr andichte,
ſie wiſſe von keinem Zauber. Item verzählete ſie: wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0151" n="135"/>
Es hatte &#x017F;ie der Kerl bei ihren langen Haaren gegrif¬<lb/>
fen, und leitete &#x017F;ie al&#x017F;o vor den Ti&#x017F;ch, worauf &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
er&#x017F;t umbkehren und die Richter an&#x017F;ehen mußte. Dabei<lb/>
hatte er ein groß Wort und war in alle Wege ein dreu¬<lb/>
&#x017F;ter und muthwilliger Schalk, wie man bald weiters hö¬<lb/>
ren wird. Nachdeme nun <hi rendition="#aq">Dn. Consul</hi> einen großen<lb/>
Seufzer gela&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ie von Kopf bis zu den Füßen<lb/>
&#x017F;ich ange&#x017F;ehen, fragete er er&#x017F;tlich, wie &#x017F;ie heiße, und wie<lb/>
alt &#x017F;ie wär, <hi rendition="#aq">item</hi> ob &#x017F;ie wüßte, warumb &#x017F;ie hieher ge¬<lb/>
fordert? Auf letzten Punkt gab &#x017F;ie zur Antwort: daß<lb/>
der Amtshaubtmann &#x017F;olches ja bereits ihrem Vater ver¬<lb/>
meldet, und wölle &#x017F;ie Niemand Unrecht thun, gläube aber,<lb/>
daß der Amtshaubtmann &#x017F;elb&#x017F;ten ihr zu dem Ge&#x017F;chrei<lb/>
einer Hexen verholfen umb &#x017F;ie zu &#x017F;einem unkeu&#x017F;chen Wil¬<lb/>
len zu bringen. Hierauf verzählete &#x017F;ie, wie er es vom<lb/>
Anfang an mit ihr getrieben, und &#x017F;ie durchaus zu einer<lb/>
Ausgeber&#x017F;chen verlanget. Da &#x017F;ie aber &#x017F;olches nicht hätte<lb/>
thun wöllen, obgleich er &#x017F;elb&#x017F;ten unter&#x017F;chiedliche Malen<lb/>
zu ihrem Vater ins Haus gekommen, hätte er einsmals<lb/>
als er aus der Thüren gegangen für &#x017F;ich in den Bart<lb/>
gemummelt: &#x201E;ich will &#x017F;ie doch wohl kriegen!&#x201C; wie &#x017F;ol¬<lb/>
ches ihr Ackersknecht Claus Nels im Pferde&#x017F;tall, wo er<lb/>
ge&#x017F;tanden, mit angehöret. Und &#x017F;olches habe er al&#x017F;obald<lb/>
zu vollenführen ge&#x017F;ucht indeme er viel mit einem gott¬<lb/>
lo&#x017F;en Weibe, &#x017F;o Li&#x017F;e Kolken hieße, und früher bei ihme<lb/>
im Dien&#x017F;t ge&#x017F;tanden, conver&#x017F;iret. Selbige möchte wohl<lb/>
die Zauber&#x017F;tückchen ge&#x017F;pielet haben, &#x017F;o man ihr andichte,<lb/>
&#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;e von keinem Zauber. <hi rendition="#aq">Item</hi> verzählete &#x017F;ie: wie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0151] Es hatte ſie der Kerl bei ihren langen Haaren gegrif¬ fen, und leitete ſie alſo vor den Tiſch, worauf ſie ſich erſt umbkehren und die Richter anſehen mußte. Dabei hatte er ein groß Wort und war in alle Wege ein dreu¬ ſter und muthwilliger Schalk, wie man bald weiters hö¬ ren wird. Nachdeme nun Dn. Consul einen großen Seufzer gelaſſen und ſie von Kopf bis zu den Füßen ſich angeſehen, fragete er erſtlich, wie ſie heiße, und wie alt ſie wär, item ob ſie wüßte, warumb ſie hieher ge¬ fordert? Auf letzten Punkt gab ſie zur Antwort: daß der Amtshaubtmann ſolches ja bereits ihrem Vater ver¬ meldet, und wölle ſie Niemand Unrecht thun, gläube aber, daß der Amtshaubtmann ſelbſten ihr zu dem Geſchrei einer Hexen verholfen umb ſie zu ſeinem unkeuſchen Wil¬ len zu bringen. Hierauf verzählete ſie, wie er es vom Anfang an mit ihr getrieben, und ſie durchaus zu einer Ausgeberſchen verlanget. Da ſie aber ſolches nicht hätte thun wöllen, obgleich er ſelbſten unterſchiedliche Malen zu ihrem Vater ins Haus gekommen, hätte er einsmals als er aus der Thüren gegangen für ſich in den Bart gemummelt: „ich will ſie doch wohl kriegen!“ wie ſol¬ ches ihr Ackersknecht Claus Nels im Pferdeſtall, wo er geſtanden, mit angehöret. Und ſolches habe er alſobald zu vollenführen geſucht indeme er viel mit einem gott¬ loſen Weibe, ſo Liſe Kolken hieße, und früher bei ihme im Dienſt geſtanden, converſiret. Selbige möchte wohl die Zauberſtückchen geſpielet haben, ſo man ihr andichte, ſie wiſſe von keinem Zauber. Item verzählete ſie: wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/151
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/151>, abgerufen am 23.11.2024.