wissen vor ihren Richter trüge, item recitirete sie mir das schöne Sprüchlein Matth. am 5ten Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch, so sie daran lügen.
Und möchte ich nur aufstehen und meinen Rock über das Wammes überziehen und mit ihr kommen, denn ohne mich ließe sie sich nicht vor den Amtshaubtmann führen. Hierzwischen nun aber war das ganze Dorf vor meiner Thüren zusammengestürzet, Weiber, Männer, Kinder; hielten sich aber geruhlich und sahen nur Alle nach den Fenstern, als wöllten sie uns durch das Haus schauen. Als wir uns beide fertig gemacht, und der Büttel, so mich anfänglich nicht mitnehmen gewollt, nunmehro aber ein Einsehen gebrauchte, vor ein gut Trinkgeld, so ihm mein Töchlerlein verehrete, traten wir an den Wagen, aber ich ware so machtlos, daß ich nit hinaufkummen kunnte.
Kam also der alte Paassch, so es sahe, und half mir auf den Wagen, wobei er sagte: " Gott tröst Em, wat müt he an Sien Kind erlewen *) und mir die Hand zum Abschied küßete.
Auch kamen noch mehr an den Wagen, so ihm fol¬ gen wollten, aber ich bate: sie söllten mir das Herze nicht noch schwerer machen und nur ein christlich Auf¬
*) Gott tröst Ihn, was muß Er an Seinem Kinde er¬ leben.
wiſſen vor ihren Richter trüge, item recitirete ſie mir das ſchöne Sprüchlein Matth. am 5ten Selig ſeid ihr, wenn euch die Menſchen um meinetwillen ſchmähen und verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch, ſo ſie daran lügen.
Und möchte ich nur aufſtehen und meinen Rock über das Wammes überziehen und mit ihr kommen, denn ohne mich ließe ſie ſich nicht vor den Amtshaubtmann führen. Hierzwiſchen nun aber war das ganze Dorf vor meiner Thüren zuſammengeſtürzet, Weiber, Männer, Kinder; hielten ſich aber geruhlich und ſahen nur Alle nach den Fenſtern, als wöllten ſie uns durch das Haus ſchauen. Als wir uns beide fertig gemacht, und der Büttel, ſo mich anfänglich nicht mitnehmen gewollt, nunmehro aber ein Einſehen gebrauchte, vor ein gut Trinkgeld, ſo ihm mein Töchlerlein verehrete, traten wir an den Wagen, aber ich ware ſo machtlos, daß ich nit hinaufkummen kunnte.
Kam alſo der alte Paaſsch, ſo es ſahe, und half mir auf den Wagen, wobei er ſagte: „ Gott tröſt Em, wat müt he an Sien Kind erlewen *) und mir die Hand zum Abſchied küßete.
Auch kamen noch mehr an den Wagen, ſo ihm fol¬ gen wollten, aber ich bate: ſie ſöllten mir das Herze nicht noch ſchwerer machen und nur ein chriſtlich Auf¬
*) Gott tröſt Ihn, was muß Er an Seinem Kinde er¬ leben.
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wiſſen vor ihren Richter trüge, item recitirete ſie mir
das ſchöne Sprüchlein Matth. am 5ten Selig ſeid ihr,
wenn euch die Menſchen um meinetwillen ſchmähen und
verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch, ſo ſie
daran lügen.
Und möchte ich nur aufſtehen und meinen Rock über
das Wammes überziehen und mit ihr kommen, denn ohne
mich ließe ſie ſich nicht vor den Amtshaubtmann führen.
Hierzwiſchen nun aber war das ganze Dorf vor meiner
Thüren zuſammengeſtürzet, Weiber, Männer, Kinder;
hielten ſich aber geruhlich und ſahen nur Alle nach den
Fenſtern, als wöllten ſie uns durch das Haus ſchauen.
Als wir uns beide fertig gemacht, und der Büttel, ſo
mich anfänglich nicht mitnehmen gewollt, nunmehro aber
ein Einſehen gebrauchte, vor ein gut Trinkgeld, ſo ihm
mein Töchlerlein verehrete, traten wir an den Wagen,
aber ich ware ſo machtlos, daß ich nit hinaufkummen
kunnte.
Kam alſo der alte Paaſsch, ſo es ſahe, und half
mir auf den Wagen, wobei er ſagte: „ Gott tröſt Em,
wat müt he an Sien Kind erlewen *) und mir die Hand
zum Abſchied küßete.
Auch kamen noch mehr an den Wagen, ſo ihm fol¬
gen wollten, aber ich bate: ſie ſöllten mir das Herze
nicht noch ſchwerer machen und nur ein chriſtlich Auf¬
*) Gott tröſt Ihn, was muß Er an Seinem Kinde er¬
leben.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/142>, abgerufen am 17.02.2025.
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