geschehn?" Gläubete also daß ich ihr sagen müßte, was ich in Kundschaft gezogen, nämlich, daß man sie vor eine Hexe ansäh, worauf sie anfinge zu lächeln, anstatt noch mehr zu weinen, und aus der Thüren lief, umb die Magd einzuhohlen, so bereits aus dem Hause gangen war, wie wir gesehen hatten. Kehrete aber nach einer Glocken¬ stunden mit großem Geschrei zurücke: daß alle Leute im Dorfe vor ihr gelaufen, als sie sich hätte von der Magd Kundschaft einziehen wöllen, wo sie geblieben. Item hät¬ ten die kleinen Kinder geschrieen, so sie in der Schulen gehabt, und sich vor ihr verkrochen, auch hätte ihr Nie¬ mand nit ein Wörtlein geantwortet, sondern wie die Magd vor ihr ausgespieen. Wäre jedoch auf dem Heimbwege gewahr worden, daß schon ein Boot auf dem Wasser sei, darauf eilends an das Ufer gelaufen, und der al¬ ten Ilsen aus vollen Kräften nachgeschrieen, so allbereits in dem Boot gesessen. Aber sie hätte sich an Nichtes gekehrt, sich auch gar nit einmal nach ihr umbgesehen, sondern sie mit der Hand fortgewinket. -- Und nun¬ mehro fuhr sie fort zu weinen und zu schluchzen den gan¬ zen Tag und die ganze Nacht hindurch, daß ich elender war, denn zuvor in der großen Hungersnoth. Doch sollt es noch ärger kommen, wie man im folgenden Capite sehen wird.
geſchehn?“ Gläubete alſo daß ich ihr ſagen müßte, was ich in Kundſchaft gezogen, nämlich, daß man ſie vor eine Hexe anſäh, worauf ſie anfinge zu lächeln, anſtatt noch mehr zu weinen, und aus der Thüren lief, umb die Magd einzuhohlen, ſo bereits aus dem Hauſe gangen war, wie wir geſehen hatten. Kehrete aber nach einer Glocken¬ ſtunden mit großem Geſchrei zurücke: daß alle Leute im Dorfe vor ihr gelaufen, als ſie ſich hätte von der Magd Kundſchaft einziehen wöllen, wo ſie geblieben. Item hät¬ ten die kleinen Kinder geſchrieen, ſo ſie in der Schulen gehabt, und ſich vor ihr verkrochen, auch hätte ihr Nie¬ mand nit ein Wörtlein geantwortet, ſondern wie die Magd vor ihr ausgeſpieen. Wäre jedoch auf dem Heimbwege gewahr worden, daß ſchon ein Boot auf dem Waſſer ſei, darauf eilends an das Ufer gelaufen, und der al¬ ten Ilſen aus vollen Kräften nachgeſchrieen, ſo allbereits in dem Boot geſeſſen. Aber ſie hätte ſich an Nichtes gekehrt, ſich auch gar nit einmal nach ihr umbgeſehen, ſondern ſie mit der Hand fortgewinket. — Und nun¬ mehro fuhr ſie fort zu weinen und zu ſchluchzen den gan¬ zen Tag und die ganze Nacht hindurch, daß ich elender war, denn zuvor in der großen Hungersnoth. Doch ſollt es noch ärger kommen, wie man im folgenden Capite ſehen wird.
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geſchehn?“ Gläubete alſo daß ich ihr ſagen müßte, was
ich in Kundſchaft gezogen, nämlich, daß man ſie vor eine
Hexe anſäh, worauf ſie anfinge zu lächeln, anſtatt noch
mehr zu weinen, und aus der Thüren lief, umb die Magd
einzuhohlen, ſo bereits aus dem Hauſe gangen war, wie
wir geſehen hatten. Kehrete aber nach einer Glocken¬
ſtunden mit großem Geſchrei zurücke: daß alle Leute im
Dorfe vor ihr gelaufen, als ſie ſich hätte von der Magd
Kundſchaft einziehen wöllen, wo ſie geblieben. Item hät¬
ten die kleinen Kinder geſchrieen, ſo ſie in der Schulen
gehabt, und ſich vor ihr verkrochen, auch hätte ihr Nie¬
mand nit ein Wörtlein geantwortet, ſondern wie die Magd
vor ihr ausgeſpieen. Wäre jedoch auf dem Heimbwege
gewahr worden, daß ſchon ein Boot auf dem Waſſer
ſei, darauf eilends an das Ufer gelaufen, und der al¬
ten Ilſen aus vollen Kräften nachgeſchrieen, ſo allbereits
in dem Boot geſeſſen. Aber ſie hätte ſich an Nichtes
gekehrt, ſich auch gar nit einmal nach ihr umbgeſehen,
ſondern ſie mit der Hand fortgewinket. — Und nun¬
mehro fuhr ſie fort zu weinen und zu ſchluchzen den gan¬
zen Tag und die ganze Nacht hindurch, daß ich elender
war, denn zuvor in der großen Hungersnoth. Doch ſollt
es noch ärger kommen, wie man im folgenden Capite
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/140>, abgerufen am 23.11.2024.
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