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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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hätte ich mich zu Tode grämen mügen über solchen bö¬
sen Leumund. Auch kam in dieser ganzen Wochen kein
Kind zu meinem Töchterlein in die Schule, und als ich
Ursachs halber die Magd ausschickete, brachte sie Bot¬
schaft, daß die Kinderken krank wären, oder auch die Ael¬
tern sie zu ihrem Handwerk gebrauchten. Judicirete also
und judicirete, doch half es mir Allens nicht, bis der liebe
Sonntag in das Land kam, wo ich gläubte, ein groß
Nachtmahl zu haben, angesehen sich schon viele zu Got¬
tes Tisch im vorab gemeldet. Doch kam es mir gleich
seltsam für, daß ich Niemand, wie sie doch sonsten zu
thun pflegeten, auf dem Kirchhof stehen sahe: meinete
aber, sie wären in die Häuser getreten. Aber als ich
endlich mit meim Töchterlein in die Kirche kam, waren
nur bei sechs Menschen versammlet, unter welchen die
alte Lise Kolken und sahe die vermaledeyete Hexe nit al¬
sobald mein Töchterlein mir folgen, als sie ein Creuze
schlug und wieder zur Thurmthüren hinaus rannte, wor¬
auf die übrigen fünf, benebst meinem einigen Fürsteher
Claus Bulken (denn für den alten Seden hatte ich annoch
keinen wieder angenommen) ihr folgeten. Ich entsatzte
mich, daß mir das Blut geranne, und ich also zu zit¬
tern begunnte, daß ich mit der Achsel an den Beichtstuhl
fiel. Fragete mein Töchterlein also, welcher ich noch Nich¬
tes gesaget hatte, umb sie zu verschonen: "Vater was
fehlet den Leuten, sind sie vielleicht auch besessen?" wor¬
auf ich wieder bei mir kam und auf den Kirchhof ging,
umb nachzusehen. Aber sie waren alle wegk, bis auf

hätte ich mich zu Tode grämen mügen über ſolchen bö¬
ſen Leumund. Auch kam in dieſer ganzen Wochen kein
Kind zu meinem Töchterlein in die Schule, und als ich
Urſachs halber die Magd ausſchickete, brachte ſie Bot¬
ſchaft, daß die Kinderken krank wären, oder auch die Ael¬
tern ſie zu ihrem Handwerk gebrauchten. Judicirete alſo
und judicirete, doch half es mir Allens nicht, bis der liebe
Sonntag in das Land kam, wo ich gläubte, ein groß
Nachtmahl zu haben, angeſehen ſich ſchon viele zu Got¬
tes Tiſch im vorab gemeldet. Doch kam es mir gleich
ſeltſam für, daß ich Niemand, wie ſie doch ſonſten zu
thun pflegeten, auf dem Kirchhof ſtehen ſahe: meinete
aber, ſie wären in die Häuſer getreten. Aber als ich
endlich mit meim Töchterlein in die Kirche kam, waren
nur bei ſechs Menſchen verſammlet, unter welchen die
alte Liſe Kolken und ſahe die vermaledeyete Hexe nit al¬
ſobald mein Töchterlein mir folgen, als ſie ein Creuze
ſchlug und wieder zur Thurmthüren hinaus rannte, wor¬
auf die übrigen fünf, benebſt meinem einigen Fürſteher
Claus Bulken (denn für den alten Seden hatte ich annoch
keinen wieder angenommen) ihr folgeten. Ich entſatzte
mich, daß mir das Blut geranne, und ich alſo zu zit¬
tern begunnte, daß ich mit der Achſel an den Beichtſtuhl
fiel. Fragete mein Töchterlein alſo, welcher ich noch Nich¬
tes geſaget hatte, umb ſie zu verſchonen: „Vater was
fehlet den Leuten, ſind ſie vielleicht auch beſeſſen?“ wor¬
auf ich wieder bei mir kam und auf den Kirchhof ging,
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[121/0137] hätte ich mich zu Tode grämen mügen über ſolchen bö¬ ſen Leumund. Auch kam in dieſer ganzen Wochen kein Kind zu meinem Töchterlein in die Schule, und als ich Urſachs halber die Magd ausſchickete, brachte ſie Bot¬ ſchaft, daß die Kinderken krank wären, oder auch die Ael¬ tern ſie zu ihrem Handwerk gebrauchten. Judicirete alſo und judicirete, doch half es mir Allens nicht, bis der liebe Sonntag in das Land kam, wo ich gläubte, ein groß Nachtmahl zu haben, angeſehen ſich ſchon viele zu Got¬ tes Tiſch im vorab gemeldet. Doch kam es mir gleich ſeltſam für, daß ich Niemand, wie ſie doch ſonſten zu thun pflegeten, auf dem Kirchhof ſtehen ſahe: meinete aber, ſie wären in die Häuſer getreten. Aber als ich endlich mit meim Töchterlein in die Kirche kam, waren nur bei ſechs Menſchen verſammlet, unter welchen die alte Liſe Kolken und ſahe die vermaledeyete Hexe nit al¬ ſobald mein Töchterlein mir folgen, als ſie ein Creuze ſchlug und wieder zur Thurmthüren hinaus rannte, wor¬ auf die übrigen fünf, benebſt meinem einigen Fürſteher Claus Bulken (denn für den alten Seden hatte ich annoch keinen wieder angenommen) ihr folgeten. Ich entſatzte mich, daß mir das Blut geranne, und ich alſo zu zit¬ tern begunnte, daß ich mit der Achſel an den Beichtſtuhl fiel. Fragete mein Töchterlein alſo, welcher ich noch Nich¬ tes geſaget hatte, umb ſie zu verſchonen: „Vater was fehlet den Leuten, ſind ſie vielleicht auch beſeſſen?“ wor¬ auf ich wieder bei mir kam und auf den Kirchhof ging, umb nachzuſehen. Aber ſie waren alle wegk, bis auf

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/137>, abgerufen am 23.11.2024.